Andrew O’Ryon bringt Valentina Cocco zum Schweben Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Friedrichsbauvarieté feiert mit „Magic Rocks“ die erste Premiere im Jubiläumsjahr.

Stuttgart - Der Karneval ist vorbei, doch Conférencier Jorgos Katsaros hat noch Konfetti in den Taschen. Mit einem mitteleuphorischen „Hey!“ wirft er’s von sich, um Applaus für seine dargebotenen Tricks zu heischen. Die sind allesamt eine Nummer sparsamer als die Großillusionen seiner Magierkollegen. Er sei halt eine „blöde Mischung“, so als halber Schwabe und halber Grieche: „Die einen müssen sparen, die anderen wollen!“ Die Mischung am Friedrichsbau Varieté hingegen ist gelungen: Seit Donnerstag zaubern dort in der neuen Show „Magic Rocks“ etliche Illusionisten jedweder Couleur.

Imposant beginnt der Italiener Igna Fire: Raubtierartig und in nietenbesetztem Leder zündet er seinen mitgebrachten Käfig an und hext in weniger als einer Sekunde gleich zwei seiner devoten Damen aus dem Feuer. Selten hat man das dermaßen rasant erlebt. Ein furioser Auftakt.

Altbekannte Tricks weitergedreht

Doch mit dem Tempo des zähnebleckenden Wildfangs können nicht alle mithalten. Sobald die von Ralph Sun inszenierte Show Fahrt aufnimmt, drückt die nächste Nummer wieder auf die Bremse. Was auch am Moderator Katsaros liegt, der sich schwertut, mit seinen mal ironisch präsentierten, mal auf größeren Beifall hoffenden Kunststückchen das Publikum für sich zu gewinnen. Zudem sorgen Sprüche wie „Ich hätte es auch selber machen können, aber ich schau der Laura so gern hinterher“, wenn es darum geht, Requisiten fortzuräumen, 2019 bestenfalls noch für ein Schmunzeln. Erst kurz vor Schluss holt er sich überzeugenden Applaus ab, als er eine Whiskeyflasche nach der anderen aus dem Nichts erscheinen lässt – vielleicht hätte er einfach früher zum Alkohol greifen müssen.

Obwohl es bei den Übergängen knirscht, machen die Einlagen selbst durchaus Staunen. Allen voran das Duo Andrew O’Ryon und Valentina Cocco aus Savona: Zersägte Körper sieht man heutzutage bei fast jeder Zaubershow, doch hier werden die beiden Hälften aneinander vorbei quer über die Bühne geschoben. Auch die „Schwebende Jungfrau“ heben beide auf ein neues Level: Cocco im weißen Negligé geht von ihrem von Bon Jovi aus den Boxen besungenen „Bed of Roses“ nicht nur vor O’Ryon in die Luft, sondern kreist darüber hinaus um ihn herum.

Skizzo sollte eine eigene Show haben

Die übrigen Songs, neben der Magie ja ebenfalls titelgebend, sind leider größtenteils abgegriffen. Man möchte den Varietékünstlern zurufen, dass jenseits der Hits von AC/DC, Queen und Guns N’ Roses auch noch zwei, drei andere gute Titel im Nischengenre „Rock“ zu finden sind. Tolle Lieder sind’s natürlich trotzdem.

Ohnehin avanciert die Musik zur Nebensache, sobald Skizzo den Saal stürmt. Der langhaarige Schlaks, längst Stuttgarter Publikumsliebling, war in einigen der letzten Varietéproduktionen zu sehen. „In der Zauberei gibt es verschiedene Sparten“, kündigt Moderator Katsaros an, „aber für das, was der macht, gibt’s noch keinen Begriff.“ Abermals stiehlt er seinen Mitstreitern die Show. Beispielsweise als Messerwerfer, der sich exaltiert kreischend ins eigene Fleisch schneidet und mit seinem (Kunst-)Blut eine Kartenvorhersage trifft – klingt erstmal gar nicht so komisch, ist aber wie jede seiner magischen Scherze zum Brüllen und doch verblüffend. Sein Charme ist so enorm, dass Zuschauerinnen ihm selbst dann auf die Bühne folgen, wenn er zu „Love Hurts“ mit einer Heckenschere durch die Reihen wandelt. Dass er in Stuttgart eigentlich eine eigene Show haben sollte, wurde an dieser Stelle schon einmal gefordert.

Eine solide Show

Die Klassiker dieser Kunst tragen das britische Kollektiv „Evolution of Magic“ sowie der Österreicher Sven Alexiuss bei: Schnelle Klamottenwechsel und verschwundene Assistentinnen. Alles beeindruckend, nur leider selten originell in Szene gesetzt. Eine solide Show ist „Magic Rocks“ damit insgesamt allemal.

Eine Schlussbemerkung noch, da die Premiere zufälligerweise auf den Weltfrauentag fiel: Vielleicht liegt es ja an der so gründlich durchgeführten Hexenverbrennung der katholischen Kirche, dass es heute nicht mehr allzu viele Frauen mit magischen Fähigkeiten gibt. Aber auch der Hokuspokusbranche täte es gut, wenn das weibliche Geschlecht eines Tages mehr als nur zu zerstückelndes Beiwerk wäre.