Gerade in Ländern und Gesellschaften, die Kriege und Krisen überwunden haben, geraten die Anliegen von Frauen zu oft unter die Räder. Foto: AFP/DELIL SOULEIMAN

Schweden betreibt schon seit Jahren offiziell „feministische Außenpolitik“. Auch im Auswärtigen Amt wird über das Konzept nachgedacht. Worum geht es dabei?

Berlin - Außenpolitik muss feministischer werden! Diese Forderung wird nicht nur von Politikerinnen immer häufiger erhoben. Als erstes Land weltweit erklärte Schweden vor mehr als fünf Jahren offiziell, eine „feministische Außenpolitik“ zu betreiben. Kanada hat sich inzwischen angeschlossen, auch im Auswärtigen Amt gibt es eine Debatte darüber. „In der Bundesregierung drückt man sich manchmal noch um den Begriff Feminismus und spricht lieber von Geschlechtergerechtigkeit“, sagt die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Michelle Müntefering (SPD). „Ich jedenfalls habe überhaupt kein Problem mit Feminismus, im Gegenteil: Wir brauchen mehr davon.“

Was steckt hinter dem Konzept? Die schwedische Regierung hat 2018 ein Handbuch dazu veröffentlicht, in dem sie ihre Erfahrungen zusammenfasst. Es gehe darum, etwa bei der Analyse eines Konflikts stets die Perspektive beider Geschlechter einzunehmen und das außenpolitische Handeln anhand von drei R auszurichten: Rechte, Repräsentation, Ressourcen. Haben Frauen in Bezug auf Bildung, Arbeit oder Ehe dieselben Rechte wie Männer, sind sie in Parlamenten oder anderen Gremien vertreten, werden sie bei der Vergabe von Geldern gleichberechtigt bedacht. Feministische Außenpolitik bedeute, Politik für die ganze Gesellschaft zu machen, fasst Müntefering zusammen.

„Der Männerüberhang in der Diplomatie ist enorm“

Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff findet zwar das „Etikett“ feministische Außenpolitik missverständlich, die Ideen jedoch unterstützt der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion: „Es ist dringend notwendig, in der internationalen Politik die Rolle von Frauen zu stärken, denn der Männerüberhang in der Diplomatie ist enorm.“ Auch müssten die Belange von Frauen in der Außenpolitik stärker in den Fokus genommen werden. „Gerade in Ländern und Gesellschaften, die Kriege und Krisen überwunden haben, geraten die Anliegen von Frauen zu oft unter die Räder“, sagt Lambsdorff. Frauen seien „hoffnungslos unterrepräsentiert, wenn es um Krieg und Frieden in der Welt geht“, sagt die CDU-Bundestagsabgeordnete Elisabeth Motschmann. Sie verweist auf Untersuchungen der Vereinten Nationen, nach denen bei Friedensverhandlungen zwischen 1992 und 2011 nur neun Prozent der Verhandelnden weiblich gewesen sind. Zudem haben Forscher herausgefunden, dass Friedensabkommen dauerhafter sind, wenn Frauen mit am Verhandlungstisch gesessen haben.

„Frauen sind nicht an sich friedfertiger oder die besseren Menschen“, sagt die Grünen-Außenpolitikerin Franziska Brantner. „Aber Friedensschlüsse sind nachhaltiger, wenn der Alltag von Frauen in den Kriegswirren in den Blick genommen und mitverhandelt wird.“ Ein Beispiel könne ein Konflikt um Wasser sein, erklärt die Bundestagsabgeordnete. Wenn eine Schutztruppe entsandt werde und nur die Hauptverkehrsstraßen patrouilliere, sei der Frieden nicht für die gesamte Bevölkerung gesichert. „In vielen Gesellschaften sind Frauen dafür zuständig, Wasser von den Brunnen zu holen. Dafür gehen sie oft über Felder und Waldwege.“ Wer also nur auf den Hauptstraßen für Sicherheit sorge, werde den Konflikt nicht umfassend lösen. Dies gelte besonders, wenn Gewalt gegen Frauen, etwa durch Vergewaltigungen, gezielt als Waffe eingesetzt werde. „Wir müssen erkennen, dass Frieden und Menschenrechte nur verwirklicht werden können, wenn Frauen gleichberechtigt sind. Auch am Verhandlungstisch“, so Müntefering.

„Frauen sind nicht an sich die besseren Menschen“

Außenminister Heiko Maas (SPD) hat die Rolle von Frauen in Krisen und Konflikten zu einem Schwerpunkt der deutschen Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat gemacht. Aber im eigenen Haus hat der Minister beim Thema Gleichberechtigung noch viel zu tun. „Frauen sind im Auswärtigen Dienst in Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert“, räumte Maas ein. Um weltweit glaubhaft Geschlechtergerechtigkeit zu vertreten, müsse im eigenen Land entsprechend gehandelt werden, fordert Motschmann. Die CDU-Abgeordnete nennt Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern und eine ausgewogene Vertretung in Parlamenten als Beispiele. „Da haben wir in Deutschland noch viel Luft nach oben.“

Auch das Auswärtige Amt hat noch viel zu tun