Bei der Vorstellung der Jahresbilanz der Deutschen Bank konnte John Cryan noch lachen. Foto: AFP

Der Brite John Cryan hat seit seinem Amtsantritt 2015 milliardenschwere Altlasten abgebaut und ein Sparprogramm aufgelegt. Trotzdem sucht der Aufsichtsrat offenbar nach einem Nachfolger für den 57-Jährigen. Hintergrund soll ein Streit über die Zukunft der Bank sein.

Frankfurt - So langsam mache ihm sein Job wirklich Spaß, hat Deutsche-Bank-Chef John Cryan Anfang Februar gesagt. Glaubt man der Londoner Zeitung „The Times“, so dürfte die Freude nicht lange währen: Die Bank sei auf der Suche nach einem Nachfolger für den 57-jährigen Briten, berichtete das angesehene Blatt am Dienstag ohne Angabe von Quellen. Mit Richard Gnodde von der US-Investmentbank Goldman Sachs sei sogar schon ein möglicher Kandidat angesprochen worden, der aber kein Interesse habe. Hintergrund seien Konflikte zwischen Cryan und dem Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, Paul Achleitner.

Von Achleitner kam zunächst keine Stellungnahme zu dem Bericht. Ein beredtes Schweigen: Dass der Österreicher seinem Bank-Vorstand in einer solchen Situation nicht den Rücken stärkt, darf wohl so verstanden werden, dass Achleitner mit Cryan mindestens unzufrieden ist.

Auch viele Anleger scheinen des seit 2015 amtierenden Vorstandsvorsitzenden überdrüssig. Die Gerüchte über eine mögliche Ablösung beflügelten am Dienstag den Aktienkurs. Gleichwohl notieren die Anteilsscheine der Deutschen Bank weiter unter zwölf Euro, fast ein Drittel niedriger als noch zu Jahresbeginn.

Drei Verlustjahre in Folge

Die Misere begann damit, dass die Bank für 2017 erneut einen Verlust präsentierte. Zwar erwirtschaftete das Institut vor Steuern einen Gewinn von 1,2 Milliarden Euro, US-Präsident Donald Trump brachte Cryan aber um die erhoffte Erfolgsmeldung: Wegen Trumps Steuerreform kann die Deutsche Bank frühere Verluste nicht mehr im bisherigen Ausmaß steuermildernd geltend machen. Unter dem Strich schrieb sie damit das dritte Jahr in Folge rote Zahlen. Wegen einer Neuberechnung latenter Steueransprüche auch in Großbritannien betrug der Verlust letztlich rund 700 Millionen Euro.

Die Erklärung für den Fehlbetrag wurde an den Börsen noch akzeptiert – zumal die Senkung der US-Körperschaftsteuer der Deutschen Bank künftig nützen wird. So richtig bergab ging es mit dem Aktienkurs erst, als Berichte über finanzielle Probleme des chinesischen Großaktionärs HNA die Runde machten. Der Mischkonzern reduzierte seinen Anteil an der Deutschen Bank im Februar von 9,9 auf 8,8 Prozent, die HNA Group bleibt allerdings der wichtigste Ankeraktionär des Geldhauses.

Kommunikationsfehler

In den vergangenen Tagen ging es dann Schlag auf Schlag. Erst verdarb Finanzchef James von Moltke den Anlegern die Laune, weil er über Probleme in der Investmentbankingsparte berichtete. Deren Ergebnisse blieben im ersten Quartal 2018 deutlich hinter dem Vorjahreszeitraum zurück. Obwohl das erste Quartal 2017 ein gutes war, warfen daraufhin zahlreiche Investoren die Deutsche-Bank-Aktie aus ihren Portfolios.

Als nächste machte IT-Chefin Kim Hammonds Negativschlagzeilen: Auf einer Führungskräftetagung soll die Amerikanerin gesagt haben, die Deutsche Bank sei das „dysfunktionalste Unternehmen“, für das sie je gearbeitet habe. „Wenn derartige Äußerungen bekannt werden, kommt das natürlich nicht besonders gut rüber“, sagte der Bankenanalyst Philipp Häßler von Equinet unserer Zeitung. „Auf der anderen Seite könnte man aber auch positiv sehen, dass der Vorstand nicht alles schönredet.“ Aus Häßlers Sicht kommt die Debatte über eine Neubesetzung der Bank-Spitze zur Unzeit: „Cryan und seine Mannschaft senken die Kosten, haben das Kapital erhöht und arbeiten die Rechtsrisiken ab. Jetzt müssen sie natürlich zusehen, dass es auf der Ertragsseite wieder besser wird. Da muss man aber zumindest dieses Jahr noch abwarten – noch ist es meiner Meinung nach zu früh, über Cryan zu urteilen.“

Der Brite hat seit Jahren mit Altlasten zu kämpfen

Ganz ähnlich sieht es Ingo Frommen von der LBBW. Zwar sei die Unsicherheit über die Ertragsaussichten der Deutschen Bank unbefriedigend, sagt der Analyst. „Vor dem Problem stehen aber auch andere Banken. Der Kuchen wird einfach kleiner.“ Dass Cryan hierauf außer Kostensenkungen noch keine befriedigende Antwort habe, sei ihm deshalb nachzusehen: „Cryan ist der richtige Mann, der die Dinge beherzt angeht“, sagt Frommen.

Schließlich steckte die Bank bei Cryans Amtsantritt 2015 in einer äußerst schwierigen Lage: Er musste kurzfristig für Anshu Jain einspringen, der als Co-Vorsitzender neben Jürgen Fitschen seinen Nimbus als Star-Investmentbanker verloren und wegen zahlreicher Skandale in seiner früheren Abteilung jegliches Vertrauen verspielt hatte. Die Bank ächzte deswegen unter horrenden Strafzahlungen. Cryan verordnete dem Geldhaus einen Sparkurs und kündigte an, 9000 Stellen zu streichen. Dafür wurden in Deutschland rund 190 Filialen geschlossen, aus einigen Staaten zog sich die Bank komplett zurück.

2016 legte Cryan mit einem milliardenschweren Vergleich einen Rechtsstreit mit den US-Behörden bei und räumte damit den wohl schwersten Brocken ab, den seine Vorgänger hinterlassen hatten. Der geplante Verkauf der Postbank scheiterte zwar, dafür ging letzte Woche die Vermögensverwaltungstochter DWS an die Börse.

Dieter Hein vom Analysehaus Fairesearch wirft Cryan allerdings vor, wie seine Vorgänger noch immer zu stark auf das Investmentbanking zu setzen. „Eine Ablösung Cryans würde daran allerdings nichts ändern – denn bei den Ersatzkandidaten, die im Gespräch sind, handelt es sich um frühere Investmentbanker“, sagt Hein mit Blick auf den Goldman-Manager Gnodde, Unicredit-Chef Jean Pierre Mustier und den Vorstandsvorsitzenden der britischen Bank Standard Chartered. Nach Heins Auffassung müsste für eine echte Neuaufstellung der Bank zunächst einmal der Aufsichtsratsvorsitzende Achleitner seinen Sessel räumen. Der einstige Deutschlandchef von Goldman Sachs stehe einer Abkehr vom Investmentbanking im Wege. Dieser Vorwurf deckt sich mit der Darstellung der „Times“: Cryan wolle die Kapitalmarktsparte stärker als von Achleitner gewünscht umbauen, schrieb die Zeitung.