Verteidigungsminister zu Guttenberg wird erst im März vor dem Untersuchungsausschuss zum tödlichen Luftschlag von Kundus aussagen. Zunächst freut er sich über einen neuen Generalinspekteur.

Berlin - Verteidigungsminister zu Guttenberg wird erst im März vor dem Untersuchungsausschuss zum tödlichen Luftschlag von Kundus aussagen. Zunächst freut er sich über einen neuen Generalinspekteur. Doch weiß auch der mehr von dem verheerenden Bombardement, als bisher bekannt ist?

Die militärische Ehrenformation auf dem Paradeplatz des Berliner Bendler-Blocks trotzt dem feinen Schneewehen und hält ihren neuen Chef fest im Blick. Vier Generalssterne kleiden die Uniform von Volker Wieker neuerdings, dem etwas abgekämpft wirkenden Soldaten, der in klirrender Winterkälte von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zum Generalinspekteur dekoriert wird. Wer kann hier wem Rückendeckung geben? Der neue, unbelastete Generalinspekteur dem Minister, der wegen der Kundus-Affäre immer stärker in Bedrängnis gerät? Oder der Minister jenem Soldaten, der selbst so nah dran war an den Ereignissen nach der Bombennacht des 4. September?

Wieker war seit Oktober 2009 als Stabschef der Nato-Schutztruppe für Afghanistan (Isaf) die Nummer drei in deren Kabuler Hauptquartier. Er unterstand der Führung des amerikanischen Isaf-Kommandeurs Stanley McChrystal - jenes Generals also, der die von dem deutschen Oberst Georg Klein angeordnete Bombardierung von Taliban-Kämpfern und zwei entführten Tanklastzügen untersucht und so vehement kritisiert hat. Bis zu 142 Menschen sollen getötet worden sein, darunter viele Zivilisten. Wieker und McChrystal kennen und vertrauen einander, die Kontakte bestehen nach Informationen unserer Zeitung seit Wiekers Generalstabsausbildung bei der US-Armee in Kansas, die er zusätzlich zur Bundeswehrlaufbahn angestrebt hatte.

Die Opposition im Bundestag schließt nicht aus, dass Volker Wieker intensiv mit der Aufarbeitung des Luftschlags befasst war oder von McChrystal eingebunden worden ist. Möglicherweise wird auch er als Zeuge vor den Untersuchungsausschuss geladen - doch dazu gibt es kein offizielles Wort, bevor Wieker nicht von Guttenberg ins Amt gehoben ist. Auch deshalb richten sich seit Donnerstagabend auch mehr als nur die Augenpaare der Ehrenformation auf Wieker.

100 Beweisanträge und 40 Zeugen hat der Untersuchungsausschuss vorgelegt, um zu klären, warum der deutsche Oberst Klein jenen Luftschlag befahl. Warum dann die US-Kampfjets tatsächlich ohne Vorwarnung auf die Menschenansammlung zielten. Und warum in den nächsten Wochen die politische Führung in Deutschland von den Militärs entweder selbst keine Details erfuhr oder die Öffentlichkeit bewusst täuschte. Der damals zuständige Verteidigungsminister Franz Josef Jung trat später zurück, während Guttenberg den ehemaligen Generalinspekteur und einen zuständigen Staatssekretär entließ, weil diese ihm Berichte "vorenthalten" hätten.

Seither kreisen die Fragen darum, wer wann was wusste - warum zu Guttenberg den Einsatz zunächst "militärisch angemessen" nannte, obwohl er inoffiziell längst Kenntnis davon hatte, dass Zivilisten unter den Opfern waren, oder ob der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier von dem Leiter des zivilen Wiederaufbauteams in Afghanistan, Burkhard Ducoffre, womöglich schon am 4. September über 14 tote Zivilisten informiert wurde.

Der Untersuchungsausschuss wird zwar von allen Fraktionen getragen, doch die stritten am ersten Sitzungstag eifrig über die Reihenfolge der Zeugenvernehmung. Zunächst sollen drei Wochen lang die Einzelheiten jener Nacht zum 4. September und die Informationspannen hinterfragt werden. Dazu wird auch Oberst Klein vorgeladen. Da gegen ihn ein Ermittlungsverfahren geprüft wird, kann er jedoch auf seine Aussage verzichten. Minister Guttenberg und sein Vorgänger Jung sollen von März an aussagen.

Inzwischen wurden frühere Informationen unserer Zeitung bestätigt, wonach der Luftschlag keineswegs nur gegen die auf einer Sandbank festsitzenden Tanklastwagen, sondern gegen vier namentlich bekannte Taliban gerichtet war. Auch steht fest, dass Klein - wie berichtet - wahrheitswidrig behauptet hatte, Feindkontakt ("troops in contact") gehabt zu haben.

Ohne Bodentruppen, die die Lage aufklären, hätte Klein keinen Luftschlag ordern dürfen - so sehen es die Nato-Einsatzrichtlinien vor. Offen ist nach wie vor die Frage, ob die US-Kampfjets wiederum ohne Rückversicherung beim US-Kommandierenden McChrystal tatsächlich die Bomben abwarfen. Wieker wird es vermutlich wissen.