Das Land will die Stickoxid-Werte im Talkessel reduzieren, schreckt aber vor einem flächendeckenden Fahrverbot trotz eindeutiger Gerichtsurteile noch zurück. Foto: Lichtgut//Leif Piechowski

Eine Mehrheit des Gemeinderats schließt sich der Hoffnung des Landes an, mit einem streckenbezogenen Fahrverbot ab Januar 2020 die Stickoxid-Grenzwerte senken zu können. SPD und Linksbündnis haben dagegen grundsätzliche Einwände.

Stuttgart - Eine Mehrheit des Gemeinderats hat die im aktuellen Entwurf des Luftreinhalteplans des Landes enthaltenen Maßnahmen zur Senkung der Stickoxidwerte in der Stadt gebilligt.

Das Papier sieht entgegen der Rechtssprechung des Stuttgarter Verwaltungsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts zunächst keine flächendeckenden Fahrverbote für Euro-5-Dieselautos vor. Stattdessen will das Land zum 1. Januar 2020 lediglich für vier Haupteinfallstraßen in den Talkessel Fahrverbote verhängen. Zusätzlich sollen Luftfilter an den Messstationen sowie der Einstieg in ein stadtweites Tempolimit von 40 Stundenkilometern helfen, den seit zehn Jahren geltenden EU-Jahresmittelgrenzwert von 40 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft einzuhalten.

Die Stadt hat in ihrer für das Land unverbindlichen Stellungnahme eine Reihe weiterer Maßnahmen angeregt. So soll unter anderem gemeinsam mit der Region ein Konzept für Pförtnerampeln an der Gemarkungsgrenze entwickelt werden. Das Land wird außerdem aufgefordert, nicht nur für die mit Reinigungsanlagen nachgerüsteten Euro-5-Diesel, sondern auch für Fahrzeuge mit einem sogenannten Software-Update eine unbefristete Ausnahmegenehmigung zu erteilen.

Umweltverbände halten speziell letztere Anregung für kontraproduktiv. Das Software-Update sei ineffektiv und senke die Bereitschaft der Dieselfahrer, ihre Euro-5-Autos mit Hardware nachrüsten zu lassen. Insgesamt bezweifeln die Deutsche Umwelthilfe, der BUND und das Klima- und Umweltbündnis Stuttgart, dass die Maßnahmen ausreichen, um den EU-Grenzwert einzuhalten. Sie fordern daher ein sofortiges Fahrverbot für Euro-5-Autos in der gesamten Umweltzone. Laut einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2018 hätte dieses bereits zum 1. September 2019 vom Land umgesetzt werden müssen.

Tags zuvor hatte Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) klar gestellt, dass für die Stadt der von der EU vorgeschriebene Grenzwert von 40 Mikrogramm verbindlich sei. „Die Landeshauptstadt achtet geltendes Recht“, betonte er. Für das Linksbündnis handelt der OB gleichwohl rechtswidrig, weil er den Plan des Landes gutheißt, erst ab Mitte 2020 flächendeckende Fahrverbote anzuordnen, falls der Luftreinhalteplan nicht die erhoffte Wirkung hat. Tempolimits und Pförtnerampeln dagegen stimmte das Bündnis zu.

Die Grünen wollen den von der Landesregierung vorgeschlagenen Weg mitgehen und geben sich vorerst mit streckenbezogenen Fahrverboten zufrieden. Die CDU hält Tempo 40 außerhalb von Steigungsstrecken für wirkungslos. Sie setzte durch, dass die Stadt sich für eine zeitliche Verschiebung des ab Mitte 2020 möglichen flächendeckenden Fahrverbots ausspricht, da die Beschilderung für ein streckenbezogenes Fahrverbot nicht bis zum 1. Januar 2020 realisierbar ist. Die SPD votierte gegen streckenbezogene Fahrverbote, weil der Verdrängungsverkehr an anderen Stellen zur Überschreitung des Grenzwerts führen würde. Die Freien Wähler lehnen Fahrverbote wie auch die AfD rundweg ab, die Fraktionsgemeinschaft PULS enthielt sich.

Der OB wird die Stellungnahme nebst Anregungen nun an die Landesregierung übermitteln, der es frei steht, ihren Luftreinhalteplan entsprechend zu ergänzen.