Das Land sieht nicht, dass es zu wenig mache, um den Verkehr zu reduzieren. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die grün-schwarze Landesregierung akzeptiert das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht – gegen das Votum des Verkehrsministeriums. Vor dem Verwaltungsgerichtshof soll eine Busspur für die Wende sorgen. Doch im Rathaus gibt es Bedenken.

Stuttgart - Die baden-württembergische Landesregierung legt Beschwerde gegen ein vom Verwaltungsgericht Stuttgart verhängtes Zwangsgeld in Höhe von 10 000 Euro im Zusammenhang mit der Luftbelastung am Neckartor ein. Das Gericht hatte das Zwangsgeld am 23. August festgesetzt, weil das Land der Verpflichtung aus einem vor Gericht geschlossenen Vergleich mit zwei klagenden Anwohnern nicht nachkomme. In dem Vergleich vom April 2016 hatte das Land zugesagt, ab 2018 an Tagen mit hoher Luftbelastung den Verkehr am Neckartor um 20 Prozent zu reduzieren. Derartige Maßnahmen seien weder ergriffen worden, noch stünden sie unmittelbar bevor, urteilte das Gericht.

Land setzt auf Luftreinhalteplan

Das will die grün-schwarze Landesregierung nach den Worten von Regierungssprecher Rudi Hoogvliet nicht akzeptieren. „Es gibt mittlerweile einige Maßnahmen, die aus unserer Sicht in der Beschlussfassung des Gerichts nicht berücksichtigt wurden und die zur Schadstoffreduzierung beitragen werden “, begründete Hoogvliet gegenüber unserer Zeitung. Dazu gehöre der „umfassende und auch finanzvoluminöse Luftreinhalteplan“ von Ende August. Darin steht auch, dass vom 1. Januar 2019 an Fahrverbote für Dieselautos bis einschließlich Euro-4-Norm gelten. Für Stuttgarter gilt das Verbot ab 1. April 2019. Die Landesregierung setzt aber vor allem auf die im Luftreinhalteplan geplante Busspur, die von 2019 an vom Wulle-Steg an der Willy-Brandt-Straße bis zum Neckartor eingerichtet werden soll. Ein Gutachten über die Auswirkungen dieser Busspur werde im Lauf des Oktobers vorliegen, so Hoogvliet, also „während der Entscheidungsphase des VGH“. Die Regierung setze darauf, dass „die Busspur als Maßnahme geeignet ist, die Anforderungen aus dem Vergleich zu erfüllen.“ Zumal sie „kurzfristig eingerichtet werden kann und sich sofort auswirkt“, so Hoogvliet.

Busspur stößt bei SSB auf Bedenken

Allerdings ist die Busspur umstritten. Zwar würden dadurch weniger Autos das Neckartor passieren können und zugleich die beiden für den Kfz-Verkehr übrig bleibenden Spuren von der Messstelle wegrücken, dennoch befürchten die SSB, dass dadurch insgesamt der Verkehr in der Innenstadt so behindert wird, dass es auch den übrigen Busverkehr betrifft. Während SSB-Vertreter im Juli im Technik-Ausschuss des Gemeinderats ihre Bedenken vorbrachten, will sich die Stadt offiziell nicht dazu äußern. Man warte das Gutachten ab, heißt es. Allerdings ist für die SPD-Gemeinderatsfraktion schon klar, „dass die Busspur zusätzlichen Stau und Verspätungen bei innerstädtischen Linien verursacht“, so Fraktionschef Martin Körner: „Das ist das eine Trickserei der Landesregierung, um die Werte der Messstation am Neckartor nach unten zu drücken, aber nicht um die Luft selbst zu verbessern“.

Verwaltungsgericht zweifelt am Wert der Busspur

Auch das Verwaltungsgericht hat sich in seinen Urteilen zu der Busspur geäußert. Sie sei keine „unmittelbar bevorstehende Maßnahme zur Erfüllung der Verpflichtung aus dem Vergleich, weil sowohl deren Realisierbarkeit als auch deren Eignung derzeit noch als völlig offen eingestuft werden muss“, heißt es im Beschluss zum Zwangsgeld. In einem am 31. August erlassenen Urteil in einem zweiten Verfahren, in dem ein weiteres Zwangsgeld von 10 000 Euro droht, stellt Richter Wolfgang Kern fest, dass die Busspur „aus mehreren Gründen keine geeignete und ausreichende Maßnahme zur Erfüllung des Vergleichs ist“. Und zwar schon deshalb, weil selbst das Land einräume, dass „die Anlegung dieser Busspur zu keiner Reduzierung des Verkehrsaufkommens um circa 20 Prozent“ führe, wozu sich das Land 2016 „jedoch ausdrücklich verpflichtet“ habe.

Staatsministerium spricht, Verkehrsministerium schweigt

Direkt nach dem Urteil hatte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am 24. August erklärt, er empfehle das Zwangsgeld zu bezahlen. Schließlich habe der VGH schon die Beschwerde gegen die Androhung (nicht Festsetzung) des Zwangsgelds zurückgewiesen. Die Chancen einer weiteren Beschwerde seien „gegen Null gehend“ eingeschätzt werden. Dem hatte sofort der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl (CDU) widersprochen. Eine interministerielle Arbeitsgruppe zu dem Thema hatte mehrfach getagt, zuletzt am Mittwoch dieser Woche, ohne eine Einigung zu erzielen. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums verwies wegen einer Stellungnahme am Donnerstag auf das Staatsministerium. Hoogvliet erklärte dazu: Es habe unterschiedliche Stimmen gegeben, aber die Landesregierung habe nun so entschieden.