Der dickste Kürbis Deutschland wiegt knapp 800 Kilogramm. Foto: dpa

Jedes Jahr wetteifern europäische Züchter in Ludwigsburg darum, wessen Gemüse die meisten Kilos auf die Waage bringt. Nach dem Wettbewerb kommt es allerdings auf die Kleinteile an: Die Kerne der Champions sind heiß begehrt.

Ludwigsburg - Der dickste Kürbis Deutschlands ruht wie ein großer Sitzsack auf einer Palette in der Herbstsonne. Knapp 800 Kilogramm bringt das Gewächs der Züchter Norbert Mitschke und Robert Jaser auf die Waage - und ist damit deutscher Gewichtssieger. Eine Woche später - an diesem Sonntag in Ludwigsburg - wird er erneut gewogen: Dann geht es um die europäische Meisterschaft. Mit seiner Masse jenseits der halben Tonne hat er zumindest Chancen, auch bei den Europameistern vorne dabei zu sein.

Seine beiden Besitzer, die in der Nähe von Augsburg leben, haben seit seiner Aussaat eine Menge Zeit mit ihm verbracht. „?Zwei Kürbisse haben wir dieses Jahr groß gezogen“, erzählt Jaser. „Für jeden haben wir aus Plastikplanen und Stangen ein eigenes Gewächshaus gebaut.“? Jedes habe 100 Quadratmeter Grundfläche gehabt. Während der stärksten Wachstumsphase haben die Männer darin täglich zwei bis drei Stunden verbracht, wie sie erzählen.

„?Die Ranken waren schnell sechs bis sieben Meter lang. Die mussten eingebuddelt werden, damit sie ordentlich Wurzeln bilden“?, sagt Jaser. Denn nur im Boden können die Pflanzen Wasser aufnehmen. Daraus besteht ein Kürbis - mehr oder weniger. 500 Liter dürfen es in der Woche schon sein, damit er groß und fett wird. Dazu kommt Dünger, über den Züchter allerdings wenig sagen. Der gehört zu ihren Geheimnissen. Ein Züchter in Thüringen beispielsweise schwört auf Pinguin-Kot, den er sich aus Tschechien besorgt.

Züchter Peter Bohnert aus der Nähe vom badischen Emmendingen ist Teilzeitrentner. So hat er die Zeit, „sechs bis neun Stunden am Tag“ in seinem Kürbisgarten zu verbringen, wie sagt. Der besteht im Sommer fast ausschließlich aus Pflanzenblättern, die sich dicht über dem Boden ausbreiten. Seine Frau drohe ihm manchmal, irgendwann sein Bett hineinzustellen, wenn sie abends mal wieder auf ihn warten müsse. Bohnert hat sich auf Long Gourds spezialisiert - Kürbisse, die wie Bambus nach oben wachsen. Mit 3,19 Meter Länge wurde sein Long Gourd in Ludwigsburg Sieger seiner Kategorie.

Wer in Ludwigsburg den Weltrekord bricht, bekommt 10 000 Euro

Bohnert erklärt, ernsthaften Kürbiszüchtern gehe es nicht allein ums Aufpäppeln auf Schaugröße. Nach der klassischen Vererbungslehre wollen sie eine Frucht mit möglichst dicker Wand aufziehen. Je stabiler die Außenhaut, umso mehr Wasser kann der Kürbis aufnehmen, ohne zu platzen - und umso mehr Gewicht kann die nächste Zuchtfolge bei Meisterschaften auf die Waage bringen. Wer in Ludwigsburg den Weltrekord bricht, bekommt 10 000 Euro. Und das schafft man nicht ohne eine dicke Wand. Im vergangenen Jahr war ein Belgier mit einem fast 1,2 Tonnen schweren Exemplar siegreich.

Ganz am Ende begehrt der Züchter allerdings nicht das Fruchtfleisch, sondern die Kerne. Bohnert besorgt sich die übers Internet: „Im Januar und Februar gibt es Auktionen vor allem in den USA. Für gute Kerne werden in der Regel zwischen 300 und 400 Dollar bezahlt“, sagt er, also umgerechnet 250 bis 350 Euro.

Nach Angaben der Firma Juckerfarm, die den Wettbewerb in Ludwigsburg ausrichtet, wurde vergangenes Jahr im Süden Großbritanniens an einer Auktion der Samen aus einem Weltrekordkürbis für rund 1530 Euro versteigert. Der Badener Bohnert hat drei Kerne für 130 Euro ersteigert. „Die waren dann von den USA hierher sechs Wochen unterwegs und sind viel zu spät angekommen“, bedauert er. Bei guter Lagerung jedoch sei die Saat einige Jahre haltbar.

Überhaupt kann bei aller Mühe und Fürsorge viel schiefgehen. Baden-Württemberg-Sieger Martin Rudorfer aus Hemmingen verrät, dass aus einem besonders schönen Exemplar kurz vor der Abreise zu einem Wettbewerb eine Maus gekrabbelt sei. Aber mit Loch wird der Kürbis nicht zugelassen, da der Besitzer verbotenerweise Wasser hineingepumpt haben könnte. Auch die deutschen Meister Mitschke und Jaser waren eine Woche vor dem Wettbewerb im Schockzustand: „Einer unserer beiden Kürbisse ist einfach so kaputtgegangen.“ Geschätzte 780 Kilogramm waren nur noch Biomasse - gut nur noch für eine etwas dünne Kürbissuppe.