Den kleinen Teams droht in der Formel 1 ein Totalschaden: Lotus-Pilot Kimi Räikkönen nach einem Trainingsunfall in Südkorea Foto: Getty Images

Marussia klagt über Millionenschulden, Sauber und Lotus plagen Geldsorgen – die Einnahmen halten mit steigenden Ausgaben nicht Schritt. Die Rennställe sind aber selbst schuld an der Misere.

Stuttgart - Bernie Ecclestone ist ein Wohltäter: Der Mann hilft gern, wenn eines seiner Schäfchen in Geldnot ist. Schon früher hat er Privatteams ein paar Milliönchen zugesteckt, wenn sie das Benzin nicht mehr bezahlen konnten, auch senkte er 2012 die Fahrerfeld-Miete für den Hockenheimring, damit sich die Stadt den Deutschland-Grand-Prix leisten konnte. Nun stöbert der Milliardär für Kimi Räikkönen im Safe, der Finne wartet auf 15 Millionen Euro Gehalt von Lotus. Sollte der neue Investor Quantum nicht schleunigst zahlen, erwägt Mister Ecclestone, dass er die dem Rennstall zustehenden Fernsehgelder direkt aufs Konto von Räikkönen überweist. „Wenn ich Lotus wäre, dann würde ich das Geld schnell bezahlen“, knurrte der 83 Jahre alte Promoter.

Lotus ist nicht das einzige Team, das von der Hand in den Mund lebt. Das behauptet Jackie Stewart, dreimaliger Weltmeister und Berater von Lotus-Besitzer Genii-Capital. „Ich weiß von mindestens drei Teams, die ihre Fahrer nicht bezahlen“, sagt der Schotte. Bei den Teams sind Vermögenswerte wie Grundstücke, Immobilien oder Sachwerte vorhanden, doch es mangelt an liquiden Mitteln, um Piloten, Angestellte oder Lieferanten pünktlich und vollständig zu bezahlen. Bei Sauber musste kürzlich ein russisches Konsortium einsteigen, um die Ausstände zu begleichen, Marussia musste einen Schuldenberg von 116 Millionen Euro auf die Anteilseigner umschichten; so ziemlich jeder Rennstall außer Red Bull (inklusive Schwesterteam Toro Rosso), Mercedes und Ferrari müssen jeden Cent mehrfach umdrehen.

Für die aktuelle Finanzkrise sind gleich mehrere Faktoren verantwortlich. Durch den Rückzug vieler Hersteller hat die Rennserie ein wenig von ihrer internationalen Strahlkraft eingebüßt. Darüber hinaus haben die weltweite Wirtschafts- und die Euro-Krise viele große Unternehmen vorsichtiger gemacht, einen Sponsorenvertrag zu unterschreiben. Doch auch die Team-Verantwortlichen tragen eine Mitschuld an der Misere. Ihnen ist es nicht gelungen, Bernie Ecclestone Zugeständnisse bei der Verteilung der Einnahmen abzuringen; schlimmer noch: Dem umtriebigen Zampano ist es gelungen, die Teams beim Abschluss des Concorde Agreements bis 2020 gegeneinander auszuspielen, indem er Red Bull und Ferrari durch großzügige Boni aus der Phalanx der Rennställe herausgelockt hat. Mercedes musste das ganze Gewicht des Daimler-Konzerns aufbieten, um ebenfalls einen ordentlichen Abschluss zu erzielen. Aber die kleinen Privatteams besitzen nicht die nötigen Mittel, um Druck auf Ecclestone auszuüben – da heißt es: Friss oder stirb.

So haben sie unterschrieben, nun müssen sie die Folgen (er)tragen. „Im englischen Fußball geht die Schere der Einnahmenverteilung zwischen Erstem und Letztem nicht so weit auseinander“, bedauert Caterham-Besitzer Tony Fernandes, „in der Formel 1 haben die Teams entschieden, einzeln zu verhandeln, statt gemeinsam aufzutreten. Wir haben es selbst verbockt.“ Nun müssen die Rennteams 2014 noch die höheren Motorenkosten stemmen. Der 1,6-Liter-Turbo von Renault, Ferrari oder Mercedes kostet die Kunden etwa 18 Millionen Euro, bislang waren die Triebwerke für neun Millionen Euro zu haben. Bei all dem Wehklagen um steigende Ausgaben ist es erstaunlich, dass auch die kleinen Teams sich dafür ausgesprochen haben, nächstes Jahr wieder einige Testtage zuzulassen. „Da jammern sie, dass sie kein Geld hätten“, wundert sich Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost, „dann schmeißen sie es zum Fenster raus.“

Der Ausweg aus der Finanzmisere ist verzwickt. Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn plädiert für eine Budgetobergrenze, sonst werde die Zwei-Klassen-Gesellschaft zementiert. „Es bringt die anderen Teams in die Lage, mitzumischen und die Sache spannender zu gestalten.“ Auch wenn es fast unmöglich sein dürfte, die Ausgaben zu überwachen, ist Kaltenborn von der Wirksamkeit überzeugt und bemüht einen Vergleich: „Nicht jeder, der zu schnell fährt, wird bestraft, aber eine Erhöhung des Bußgeldes würde viele zum Nachdenken bringen, ob sie überhaupt zu schnell fahren sollen.“ Eine andere Möglichkeit wäre, Ecclestone zu überzeugen, dass er von seinem Kuchen mehr für die Kleinen abgibt. Vielleicht lässt er sich doch noch überzeugen – denn eigentlich ist er ja ein Wohltäter.