Drei oder vier Friseure gab es im Ort – Christel Raasch richtet die letzten Ausstellungsstücke her. Foto: factum/Simon Granville

In den Läden der alten Zeit hat die Glocke bei jedem Kunden geläutet. Ein Blick zurück im Etterhof auf alte Läden und die gute alte Zeit des Einkaufens und anderer Verrichtungen.

Hemmingen - Sie sind rosa, und sie sind süß. Oder hellbraun, und ebenfalls süß – Bonbons aus großen, schräg gestellten Gläsern mit runder Öffnung, gleich neben der Kasse. Hinter der dunkelbraunen Ladentheke, an den meist benutzten Stellen schon speckig, warteten Spitztüten aus Papier, Dutzende riesige Dosen, fein säuberlich beschriftet („Mehl“, „Zucker“, „Erbsen“). Eine Balkenwaage mit Gewichten war da, braunes Papier von der Rolle zum Einpacken ebenfalls. Und dann die Ladenklingel – sie kündigte jeden Kunden an.

So war das früher beim Einkaufen. Und so kann man das jetzt im Etterhof wieder besichtigen. Das Heimatmuseum in Hemmingen eröffnet die neue Saison am kommenden Sonntag mit einer feinen Ausstellung über die Läden im Dorf. Dem ortsgeschichtlichen Verein ist eine schmackhafte Mischung gelungen – aus allgemeinem Rückblick in eine bedeutende Zeit der Konsumgeschichte und der Erinnerung an örtliche Betriebe, die nicht vergessen sind.

Personalisierter Ansatz wie bei den Profis

Wohlgemerkt: einen Historiker oder Kulturwissenschaftler als Kurator gibt es im Etterhof nicht. Dennoch lebt die Ausstellung vom personalisierten Ansatz, wie die Museumspädagogen das nennen. Plötzlich taucht der Laden von Sofie Guggenberger auf, die Gemischtwarenhandlung von Karl Fender ist abgebildet oder das „Warengeschäft Steinrück“. Gottlob und Mathilde Steinrück kommen zu Ehren, das Milchhäusle, die Sofie Braun, der Otto Harder, nicht zu vergessen die Familie Knobloch oder der Konsum.

Alte Fotos haben sie aufgetrieben, irgendwie ergab sich der Schwerpunkt in der Zeit zwischen 1920 und 1970. Dann ging es bergab mit den Tante-Emma-Läden – Selbstbedienung war angesagt. 1972 eröffnete der erste Supermarkt in Hemmingen: ein P&Q – der kam aus Amerika. Daraus wurde dann Spar, daraus dann Edeka – mit Wurzeln in Berlin. Viele Fotos mit stolzen Ladenbesitzern sind zu besichtigen – und natürlich Gegenstände.

Das alles kam nicht von selbst in den Etterhof. „Wir haben die Leute ausgefragt“, schildert Christel Raasch vom ortsgeschichtlichen Verein die Sammelphase. „Auf eine Ausschreibung hin kam gar nichts, dann hat nur noch persönliche Ansprache geholfen.“ Stunden habe sie oft mit den Senioren oder den Kindern der ehemaligen Ladenbetreiber zusammengesessen, „da sind etliche Nachmittage draufgegangen“. Zeitzeugenbefragung nennen die Wissenschaftler diese aufwendige, aber im Endeffekt sehr häufig ergiebige Methode.

Gründlicher Blick zurück

Der Fundus des früheren Ortshistorikers Walter Treiber habe etliches Material hergegeben – das die Etterhof-Macher dann erst einmal sortiert und in eine vernünftige Struktur gebracht haben. „Wir wollten keinen kompletten Laden nachbauen“, erklären Raasch und ihr Mitstreiter Reinhard Kubens. Dennoch sollte der „Einblick in die Vor-Aldi-Zeit“ möglichst gründlich geschehen. Das ist gelungen.

So kann der Besucher in heimeliger Atmosphäre nicht nur viele alte Gegenstände bestaunen, sondern er erfährt auch, woher der Begriff „Laden“ kommt. Das hätten schon die Gebrüder Grimm erklärt: In den Zeiten, bevor der Kunde ein Geschäft in einem großen Raum betreten konnte, musste er auf der Straße stehen und seine Wünsche an einem Fenster äußern. Dieses hatte einen waagrecht abzuklappenden Verschluss aus Holz – den Fensterladen. Der war nach außen geklappt, wenn das Geschäft geöffnet hatte. Daraus entwickelte sich der „Kaufladen“. Auch den Krämer definierten die Grimms, die als Märchensammler bekannt wurden.

Auch die Drogerie aus dem Dunkel geholt

Im Etterhof werden aber nicht nur die Tante-Emma- oder Kolonialwarenläden aus dem Dunkel der Geschichte ans Licht des 21. Jahrhunderts geholt, sondern auch andere Institutionen, welche die Leute brauchten: den Metzger, oder den Bäcker, oder den Frisör. Oder die Drogerie. Da muss man Christel Raasch bloß anstupfen – und schon berichtet sie aus eigener Erfahrung. Sie und ihr Mann haben lange eine Drogerie im Ort betrieben. Da gab’s auch Haarwasser ins mitgebrachte Fläschle. So wird aus der Kuratorin eine Zeitzeugin. Die im Museum auch Brot bäckt.