Monika Heck in ihrem Schmuckgeschäft, dem Atelier Zierde in der Kirchstraße: „Bei mir ist es sehr ruhig – und ich kann es verstehen.“ Foto: factum/Simon Granville

Seit Montag dürfen Läden wieder öffnen, wenn ihre Verkaufsfläche nicht größer als 800 Quadratmeter ist. Einige Ludwigsburger nutzen die Möglichkeit für einen Einkaufsbummel, insgesamt hält sich der Andrang in den Geschäften aber in Grenzen.

Ludwigsburg - Die beiden Kartons liegen auf dem sonnenwarmen Brunnenrand. Hin und wieder lüpfen Frank und sein Kumpel Harald die Deckel, holen sich ein neues Pizzastück heraus, während sie auf dem Ludwigsburger Marktplatz stehen und sich unterhalten. Normalerweise würden die beiden jetzt bei ihrem Lieblingsitaliener um die Ecke sitzen – in Corona-Zeiten unmöglich. Also musste ein neues Plätzchen für die Mittagspause her. Um die Kumpels herum schlendern Passanten an den Marktständen vorbei, alleine oder zu zweit. Sie halten Abstand, einige tragen Mundschutz.

Seit diesem Montag dürfen Läden mit einer Verkaufsfläche bis zu 800 Quadratmetern wieder öffnen – unter Einhaltung der Abstands- und Hygienebestimmungen. Wirtschafts- und Sozialministerium haben dazu eine gemeinsame Richtlinie herausgegeben. Als Richtwert gilt eine Person pro 20 Quadratmeter, das Ladenpersonal inbegriffen. Alle anderen müssen draußen warten. Die Ladeninhaber sollen einen Spuckschutz zwischen Kasse und Kunde anbringen und die Kunden dazu anhalten, einen Abstand von mindestens eineinhalb Metern zueinander einzuhalten. Von Montag an wird die neue Maskenpflicht hinzukommen.

Kunden halten sich zurück

Was bedeutet die Lockerung für die Ludwigsburger Innenstadt? Werden die Läden von Kunden überrannt?

Letzteres kann Monika Heck für ihr Schmuckgeschäft verneinen. „Bei mir ist es sehr ruhig – und ich kann es verstehen“, sagt die Inhaberin des Ateliers Zierde. „Schmuck gehört zu den letzten Dingen, die die jetzt Leute kaufen wollen.“ Dass darüber hinaus das ungezwungene Kundengespräch bei Kaffee und Hilfe beim Anprobieren von Schmuck wegfällt, kommt erschwerend hinzu. Auch im Weltladen hält sich die Anzahl der Kunden derzeit in Grenzen, wie die ehrenamtliche Mitarbeiterin Karin Fiala berichtet.

Markus Fischer vom Ludwigsburger Innenstadtverein Luis ist am Dienstag persönlich durch die Innenstadt gelaufen. „Es ist, wie wir vermutet haben. Die Kunden warten erst mal ab – das muss sich alles noch einspielen“, sagt der Citymanager. Viele Händler hätten Angst vor einem zweiten Shutdown. Andere, wie das Möbelhaus Sommer oder das Modehaus Oberpaur, seien verärgert, weil sie zu groß sind, um öffnen zu dürfen.

Kleider müssen in Quarantäne

Vor dem Bekleidungsgeschäft Chacha stehen Barbara und Siegfried Dörfler und warten geduldig. Vier Kunden sind im Geschäft erlaubt, wie auf einem Schild am Eingang nachzulesen ist. Die Dörflers machen einen kleinen Stadtbummel. Schnürsenkel haben sie schon gekauft, im Chacha wollen sie „einfach mal gucken.“ Drinnen hängt ein hübscher Rahmen vor der Kasse, die vorgeschriebene Trennwand. „Ich bin überrascht, dass wir so schnell wieder öffnen konnten“, meint der Ladeninhaber Claude Jaudes. Neu sind nicht nur die Trennwand und Markierungen auf dem Boden, sondern auch die Art, wie das Geschäft entsprechend der neuen Richtlinie mit Retouren umgeht. „Die müssen jetzt eine Woche lang in Quarantäne“, sagt Jaudes. Er wirkt entspannt. „Wir müssen jetzt einfach mal gucken, wie es so läuft.“

Auf der anderen Seite des Marktplatzes sieht sich Kim Pesch gezwungen, ihre Kundinnen etwas weniger entspannt zu begrüßen. „Bitte erst Hände desinfizieren“, ruft sie ihnen zu, nachdem sie den Laden betreten haben. Dann heißt es zurück zu dem Spender mit Desinfektionsmittel, den die Inhaberin von Donna Clothes am Eingang platziert hat. Es sind hauptsächlich Stammkundinnen, die seit Montag in Peschs Bekleidungsgeschäft ein- und ausgehen. Viele haben Gutscheine gekauft, bevor Pesch schließen musste. „Ich bin froh, dass ich wieder öffnen konnte“, sagt Pesch. „Eine gewisse Angst ist aber auch dabei. Was, wenn ich mich anstecke?“

Läden bringen ein Stück Normalität zurück

Kurz darauf rauscht eine ihrer Stammkundinnen in den Laden. „Ich bin wahnsinnig zornig“, ruft sie. Die Corona-Maßnahmen wären ihrer Meinung nach nicht nötig gewesen, der Mittelstand werde mit den Folgen allein gelassen. Etwas Positives kann sie dem Virus immerhin abgewinnen. „Das ist eine große Chance für die Welt, den globalen Raubtierkapitalismus zu modifizieren“, sagt sie. Und: Sie freut sich, dass Peschs Laden wieder offen ist. „Immerhin ein bisschen Normalität!“

Am Marktbrunnen haben Frank und Harald ihre Pizzen inzwischen verdrückt. Ob sie noch shoppen gehen? Die Männer lachen und winken ab. Kein Bedarf.

Umfrage
: Mehr als 50 Prozent der Händler, Gastronomen und Dienstleister in der Ludwigsburger Innenstadt sehen ihre Existenz angesichts der Corona-Krise bedroht. Das ergab eine Umfrage des Ludwigsburger Innenstadtvereins Luis, an der 100 Händler, Gastronomen und Dienstleister teilnahmen. 52 Prozent haben die Corona-Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständige beantragt. Die Umfrage fand statt, bevor die Einschränkungen für Händler gelockert wurden.

Appell
: Citymanager Markus Fischer bezeichnet die Ergebnisse als alarmierend. „Das Bild unserer schönen Innenstadt droht sich dramatisch zu verändern“, sagt er. Auch die Ungleichbehandlung bezüglich der Verkaufsfläche müsse dringend überdacht werden.