Little Mix in der Stuttgarter Porsche-Arena Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Die Band Little Mix bietet in der ausverkauften Porsche-Arena einen kunterbunten Pop-Feminismus.

Stuttgart - So erstaunlich wie die Band und ihre Karriere ist ihr Publikum. Little Mix, eine vierköpfige Girlgroup aus England, ist im Jahr 2019, was die Spice Girls, die Backstreet Boys und andere in vergangenen Jahren waren – nur dass dieses Phänomen einer vornehmlich weiblichen Jugend die öffentliche Aufmerksamkeit bislang allenfalls streifte. Jessica Louise Nelson, Leigh-Anne Pinnock, Jade Amelia Thirlwall und Perrie Louise Edwards erreichten Spitzenpositionen in ihrem Heimatland, zogen an den deutschen Hitparaden jedoch vorbei. „LM5“, ihr fünftes Album, veröffentlicht im November 2018, gelangte auf Platz 22 der deutschen Albumcharts.

Am Samstagabend spielen Little Mix in der ausverkauften Porsche-Arena. Das Konzert beginnt gegen 20 Uhr, Einlass ist ab 19 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt gleicht das Areal vor der Halle einem Schlachtfeld, zurückgelassen von Hunderten junger Frauen. Zwischen 12 und 16 Jahre alt, schätzt das Sicherheitspersonal, waren die Fans, die dort viele Stunden ausharrten, sogar übernachteten, um zuerst eingelassen zu werden. Thermodecken und entleerte Pizzaverpackungen verschmelzen vor der Porsche-Arena zu einer vielsagenden Müllskulptur. Jene, die sie zurückließen, drängen sich längst vor der Bühne. Wer später kommt, hat eine Platzkarte und ist unbesorgt. Schon vor Beginn des Konzertes musste eine Anzahl Besucherinnen von Helfern des DRK versorgt werden. Ihr Kreislauf wird darüber entscheiden, ob sie dieses Konzert erleben können. Männliche Konzertbesucher sind überaus selten. Ein flüchtiger Blick entdeckt sie nicht.

Männer auf der Bühne dagegen gibt es, sie tanzen, sind schmückendes Beiwerk. Bei Little Mix dreht sich alles um die Frau. Flackernde Nachrichtensendungen, Reportagebilder künden von ihrer Machtübernahme: „Female Empowerment“ lautet eine der Schlagzeilen, die auf die Leinwände geworfen werden. „We are the Activists“ – „We are the Provocative“ – „We are the Alpha“. Dazu gibt es Videoszenen, in denen Little Mix mit Baseballschlägern ausholen, Blumenvasen und Kronleuchter zertrümmern, Rauchfackeln abbrennen, gar mit Molotow-Cocktails hantieren.

Die Porsche-Arena ist im Rausch

Freilich: All dies ist fröhliche Pose, ein „Radical Chic“ neuer Art. Little Mix spielen einen kunterbunten Pop-Feminismus vor, der sich nicht anzieht wie Alice Schwarzer. Sie haben ihr Konzert in fünf Kapitel unterteilt, jedes von ihnen eingeleitet durch lange Videosequenzen; sie erscheinen nach jeder Pause in neuen, opulenten Kostümen, glitzernd, fantastisch, spärlich, hauteng. Dazu gibt es eine Lightshow, die keinen Effekt auslässt, die Bühne energisch mit Farbe, Licht, Bewegung füllt, sie in leuchtende Rosenblätter und milchige Nebel hüllt, Symbole, Slogans, einen aufregenden Bilderreigen in die Luft zaubert. Feuersäulen steigen schon beim ersten Song auf, später schießt eine gewaltige Konfetti-Säule in den Saal hinaus – dazu der perfekt produzierte Popsound der vier Sängerinnen, der zwischen R’n’B, Hip-Hop und gefühliger Ballade mäandert.

Anders als die 15-jährige US-Amerikanerin Keelie Walker, die in ihrem Vorprogramm auftrat, verlassen sich Little Mix nicht nur auf Auto-Tune – ihre Stimmen tragen, ihre Songs besitzen viele Solo-Parts. Sie singen 19 Stücke in gut anderthalb Stunden; wieder stehen Jessica Louise Nelson, Leigh-Anne Pinnock, Jade Amelia Thirlwall und Perrie Louise Edwards in neuem Outfit auf der Bühne, lachen, tanzen, schütteln sich die Haare aus dem Gesicht. Die Porsche-Arena ist im Rausch: Tausende Mädchen glühen, singen, halten ihre Smartphones hoch.