Sie hat das Lächeln trotz aller Rückschläge noch nicht verlernt: Leyla Yunus. Foto: Ines Rudel

Die Menschenrechtsaktivistin Leyla Yunus hat mit ihrem Mann Arif bei der Eröffnung der 24. Literaturtage ihr gemeinsames Buch „Vom sowjetischen Lager zum aserbaidschanischen Gefängnis“ vorgestellt. Das Bücherfest ist eines der wichtigsten Literaturfestivals in Süddeutschland.

Esslingen - Die Menschenrechtsaktivistin Leyla Yunus ist in Esslingen keine Unbekannte. 2013 hat ihr die Stadt den Theodor-Haecker-Preis für politischen Mut und Aufrichtigkeit verliehen. Unter der Lesart-Rubrik Zeitgespräche hat sie mit ihrem Mann Arif bei der Eröffnung der 24. Literaturtage ihr gemeinsames Buch „Vom sowjetischen Lager zum aserbaidschanischen Gefängnis“ vorgestellt (erschienen im Loecker-Verlag, 19,80 Euro). Darin schildern sie die Willkür und die Repressionen, die sie unter dem Regime des Präsidenten Illham Aliyev zu erdulden und erleiden hatten – und die bei Arif laut seinen Aufzeichnungen bis hin zu Folter und Isolationshaft reichten.

War der Empfang der aserbaidschanischen Gäste durch Esslingens Oberbürgermeister Jürgen Zieger noch geprägt von Wiedersehensfreude und Herzlichkeit, so boten die anschließenden Gesprächsrunden und Lesungen im gut besuchten Schickhardt-Saal des Alten Rathauses – moderiert von Kulturamtsleiter Benedikt Stegmayer – einen Abgrund an Menschenverachtung in der ehemaligen Sowjetrepublik Aserbaidschan. Und dies, obwohl, wie zu hören war, das Land akkreditiertes Mitglied am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist.

Die Eheleute wurden verurteilt

Hatten Leyla und Arif Yunus anfangs noch gehofft, im Zuge von Perestroika und der Auflösung des Sowjetimperiums in ihrer Heimat ein Mehr an Freiheit und Demokratie zu erleben, so geschah nach ihren Schilderungen das glatte Gegenteil: Im Rückgriff auf den Stalinismus sei das sowjetische System nicht nur beibehalten, sondern um „mittelalterliche“ Unterdrückungsinstrumente noch ergänzt worden. Die Dauerfehde um die Exklave Berg Karabach liefere zudem die Handhabe, jederzeit Missliebige als Spione zu verhaften. Leyla Yunus: „Wir haben die Hoffnung aufgegeben, dass sich daran etwas ändert.“

Am 11. August 2011 wurde das Haus der Familie Yunus dem Erdboden gleichgemacht, wie es heißt, auf Befehl des Präsidenten; mit zerstört wurde dabei ein „Zentrum für Repressionswiderstand“. 2014 hat man die Eheleute verhaftet und ihnen als vermeintliche armenische Spione den Prozess gemacht. Verurteilt wurden beide dann wegen Wirtschaftsbetrug: Sie soll Stiftungsgelder aus Europa veruntreut haben, er soll Geld von ihrem Konto auf seines transferiert haben. Alles habe zwar Punkt für Punkt widerlegt werden können, bekräftigen beide, gleichwohl wurde Leyla zu achteinhalb und Arif zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Die Eheleute kamen in unterschiedliche Haftanstalten und hatten keinerlei Kontakte untereinander. Arif Yunus lässt sich in seinem Buchbeitrag ausgiebig darüber aus, mit welchen Tricks und Kniffs er lernte, die Einzelhaft ohne psychischen Schaden zu überstehen.

Flucht ins niederländische Exil

In einem dieser Tage in der Lokalzeitung erschienenen Interview mit Leyla Yunus zeigt sich die 63-Jährige fest davon überzeugt, dass der Haecker-Preis ihrem Mann und ihr das Leben gerettet hat. Sie seien beide gesundheitlich angeschlagen und ihr Schicksal habe weithin große Beachtung gefunden. Einen Tod im Gefängnis habe Diktator Aliyev nicht riskieren wollen, und so ließ er sie ziehen – ins niederländische Exil.

Sorgen und Ängste sind gleichwohl geblieben, da die Ermittlungen wegen des Spionagevorwurfs weiterlaufen, und im Buch nach offizieller Lesart der aserbaidschanischen Führung Staatsgeheimnisse verraten werden. Mit Blick auf den in Syrien zum Bürgerkrieg eskalierten Konflikt und die glaubensmäßige Zweiteilung der aserbaidschanischen Moslems in Schiitten und Sunniten spricht Leyla Yunus jedenfalls von einer „sehr kurzsichtigen Politik“, wenn die Staatengemeinschaft wegen der Öl- und Erdgasvorkommen den Machthaber in Baku vorbehaltlos unterstützt.

Die Lesart, die die Esslinger Stadtbücherei veranstaltet, zählt zu den wichtigsten Literaturveranstaltungen in Süddeutschland. Bei den Literaturtagen stellen prominente Literaten, Dichter und junge Talente ihre aktuellen Bücher vor und treten mit dem Publikum in einen Dialog.