Meryl Streep und Robert Redford in dem Kinofilm „Jenseits von Afrika“ nach einem Roman von Tania Blixen Foto: Verleih

An vier Tagen hat das Literaturfestival Membrane in Stuttgart ein Afrikabild jenseits der Klischees vermittelt.

Stuttgart - Geht das in Stuttgart? Unter dem Titel „Membrane – African literatures and ideas“ ein Festival auszurichten mit über vierzig Teilnehmern aus Nigeria, Somalia, Kamerun, Madagaskar, Ruanda, Burundi, Senegal, Kongo, Ghana, Eritrea und Mali, aber auch aus Berlin, Paris, Brüssel, London, New York und Kanada. Mit Schriftstellern, Philosophen, Comic-Zeichnern, Videokünstlern, Fotografen, Musikern und Tänzern. Ein Ereignis, bei dem akademischer Diskurs auf literarische und künstlerische Fantasie trifft, bei dem in mindestens drei Sprachen, nämlich Englisch, Französisch und Deutsch, geredet, aber auch viel gelacht wird, wo starke Frauen, schöne Männer und viele kluge Texte aus Afrika sich einem neugierigen Publikum präsentieren.

Ja, Stuttgart kann’s. Ermöglicht haben dieses Wunder drei Frauen, die während des Festivals gern mit den drei Hexen aus Shakespeares „Macbeth“ verglichen wurden: Stefanie Stegmann vom Stuttgarter Literaturhaus, Johanne Mazeau-Schmid vom Institut français und Elke aus dem Moore von der Akademie Schloss Solitude. Hauptspielort war das Literaturhaus, aber auch das Institut français gleich gegenüber am Berliner Platz und der Ausstellungsraum der Akademie Schloss Solitude in der Römerstraße im Stuttgarter Süden waren mit von der Partie. Als Kuratoren des Programms konnten die Berliner Journalistin Nadja Ofuatey-Alazard, die kenianische Schriftstellerin Yvonne Adhiambo Owuor und der senegalesische Wissenschaftler Felwine Sarr gewonnen werden.

Afrika als Kriegsschauplatz und als exotischer Kontinent

Wenn hierzulande von Afrika die Rede ist, dann erscheint der Kontinent entweder als Ort von Kriegen, Krankheiten und Katastrophen oder als exotischer Schauplatz des rätselhaften Fremden, wie es die Afrikaromane von Joseph Conrad bis Tania Blixen dargestellt haben. Der kürzlich verstorbene kenianische Schriftsteller Binyavanga Wainaina hat diese Klischees in einer ironisch gehaltenen Anleitung für Bücher über Afrika einmal so zusammengefasst: „Als afrikanische Figuren für Ihr Buch bieten sich an: nackte Krieger, treue Diener, Wahrsager und Seher, weise Greise, die in herrlicher Einsamkeit leben. Oder auch korrupte Politiker, plumpe polygame Touristenführer und Prostituierte, mit denen Sie im Bett waren“.

Diese im Westen zirkulierenden Klischees über Afrika mit Stimmen, Bildern und Geschichten aus dem heutigen Afrika zu widerlegen, war die eine Absicht des Festivals. Hier ging es darum, wie Afrika von außen gesehen wird. Adressaten waren wir Europäer. Die erst einmal lernen müssen, dass es das eine Afrika nicht gibt, vielmehr 54 Staaten mit über 2000 Sprachen, eine Vielfalt von Kulturen also, die sich nicht auf einen pauschalen Nenner bringen lassen.

Zu erleben ist eine neue intellektuelle afrikanische Elite

Aber welches Bild haben die Afrikaner von sich selbst, wie ist ihre Eigenwahrnehmung jenseits des kolonialistischen Blicks von außen? Diese Suche nach der eigenen Identität, so konnte man während des Festivals den Eindruck gewinnen, ist für die Schriftsteller, Künstler und Wissenschaftler aus Afrika zunehmend wichtiger als die Frage, was wir über sie denken.

Was sich auf dem Festival präsentierte, war eine neue intellektuelle Elite aus Afrika, die sich nicht mehr als Opfer kolonialer Mächte definiert, sondern mit Selbstbewusstsein und dem Wissen über ihre eigenen Stärken nicht nur politisch und ökonomisch, sondern auch kulturell auf der Weltbühne mitmischen will. Denn wichtige politische und soziale Veränderungen, so ihre These, werden immer durch Innovationen in Kunst, Literatur und Philosophie vorbereitet. Jeder einzelne Afrikaner kann heute selbst definieren, was ein Afrikaner ist, behauptete die Schriftstellerin Taiye Selasi.