Lars Patrick Berg (links) und Jörg Meuthen haben aussichtsreiche Plätze erhalten. Foto: Getty Images

Auf dem AfD-Europa-Parteitag rangeln auffallend viele Kandidaten um einen Listenplatz fürs EU-Parlament. Obwohl die Partei an der europäischen Union kein gutes Haar lässt.

Magdeburg - Eine radikale Wortwahl führt selbst in der AfD nicht zwingend zum Erfolg. Das ist eine Erfahrung, die viele Kandidaten für einen AfD-Listenplatz für die Europawahl 2019 machen müssen. Jochen Rohrberg etwa, ein älterer Herr aus dem Kreisverband Verden/Osterholz in Niedersachsen. Rohrberg ist einer von neun Bewerbern um Listenplatz sieben. Die Konkurrenz ist groß.

Verbal gehen die Bewerber in die Vollen

In seiner Vorstellungsrede auf dem Europaparteitag in Magdeburg wettert er gegen „messerstechende Migranten und Vergewaltiger“. Er warnt vor islamistischen Terroristen, die hierzulande Frauen und Kinder töten wollten. Er wolle für Deutschland „Christentum statt Kalifat“. Rohrberg gibt sich Mühe. Doch unter den rund 600 Parteitagsdelegierten regt sich kaum eine Hand zum Applaus. Etliche im Saal wirken sogar gelangweilt. Denn was Rohrberg da sagt, haben sie an diesem Tag schon von vielen Kandidaten in ähnlicher Form gehört. Rohrberg bekommt eine einzige Stimme, seine Bewerbung ist gescheitert.

Auch andere gehen verbal in die Vollen. Christiane Christen, ehemalige AfD-Landesvize in Rheinland-Pfalz und Gründerin der Protestbewegung „Kandel ist überall“, bewirbt sich um Listenplatz fünf. Christen ruft, sie wolle „Europas Identität schützen vor illegaler Massenmigration“. Die EU nennt sie „einen Bürgerausschaltungsapparat“. Sie wolle im Fall ihrer Wahl den Einfluss der AfD in Brüssel nutzen, um „bei der EU das Licht auszuknipsen“. Christen bekommt mehr Beifall, fällt aber trotzdem durch.

Frauen haben schlechte Karten

So ergeht es vielen Frauen auf dem viertägigen AfD-Treffen. Die 34-jährige Berlinerin Sarah-Emanuela Gröber etwa, die kürzlich Mutter wurde, bekommt nach ihrer Vorstellungsrede von einem Delegierten aus dem Saal die Frage gestellt, wie sie Kindererziehung und ein Mandat in Brüssel unter einen Hut bringen wolle. Bei Gröbers männlichen Mitbewerbern hat niemand eine solche Frage beantworten müssen. Die erste Frau, die es schließlich schafft, ist Christine Anderson aus Hessen. Die kommt auf Listenplatz acht.

Baden-württembergischer Landtagsabgeordneter auf Platz vier

Bereits am Freitag wurde Parteichef Jörg Meuthen mit rund 90 Prozent auf Platz eins der Liste gewählt. Auf Platz zwei schafft es das Ex-SPD-Mitglied Guido Reil aus NRW. „Ich werde eure Stimme, die Stimme des Volkes, in Brüssel sein“, verspricht Reil, er werde „nicht abheben“. „Diese Dekadenz in Brüssel, die widert mich an. Ich werde mich nicht abends an den VIP-Buffets gütlich tun und Champagner saufen“, sagt er. Was genau er politisch erreichen will, lässt er dagegen offen. Der baden-württembergischen Landtagsabgeordnete Lars Patrick Berg erringt den vierten Platz. 40 Plätze will die Partei auf ihrem bis zu diesem Montag andauernden Treffen vergeben. Das Programm zur Europawahl will die AfD dann auf einem gesonderten Parteitag Mitte Januar 2019 im sächsischen Riesa beschließen.

Europawahl als Testlauf für Sachsen

Sachsen spielt für die AfD eine wichtige Rolle. Dort finden im nächsten Herbst Landtagswahlen statt. Der Freistaat ist AfD-Stammland. Hier schaffte die Partei erstmals den Sprung in einen Landtag. Bei der Bundestagswahl 2017 schnitt die AfD sogar besser ab als die seit Jahrzehnten regierende CDU. An diesen Trend will der Kandidat Maximilian Krah in Sachsen anknüpfen und ihn wenn möglich auch anderswo in Deutschland einläuten, wie Krah in seiner Bewerbungsrede sagt. Später wird er auf den aussichtsreichen Platz drei der Liste gewählt. Der Dresdner Rechtsanwalt war früher in der CDU, inzwischen ist er AfD-Landesvize.

Die Europawahl sei als Testlauf für Sachsen wichtig, „wo wir zum ersten Mal in Deutschland in einem Landesparlament stärkste Kraft werden wollen“. Die AfD eine, dass sie „die Regierung von Leuten, die Deutschland nicht mögen“ und die sich in einer „antideutschen Echokammer“ eingekapselt hätten, aufbrechen wolle. „Lasst uns die Eisbrecher für Euch sein, damit wir überall in Deutschland sächsische Verhältnisse haben“, ruft Krah.

Spendenaffäre um Alice Weidel kein Thema

Ein brisantes Thema spielt auf dem Parteitag indes kaum eine Rolle: die dubiosen Großspenden aus dem Ausland an den Kreisverband von Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel. Der Parteivorstand hatte sich bereits vor Beginn des Treffens in einer Erklärung vor Weidel gestellt. In den Reden von Meuthen und Ko-Parteichef Alexander Gauland findet das Thema später keine Erwähnung. Weidel selbst lässt sich lediglich am Freitag kurz im Saal blicken. Für den Rest der Tagung fehlt sie – aus gesundheitlichen Gründen, wie es heißt.