Mit dem Kind auf dem Arm nachts um 1.30 Uhr Polizisten beleidigen – nach der Zwangsräumung in Heslach gab es nicht nur friedliche Proteste, sondern auch noch einen unschönen Zwischenfall Foto: dpa

Ein Sympathisant beschimpft Polizisten als „Dreckmenschen“, ein Sprecher muss wegen Landfriedensbruchs vor Gericht – die netten Hausbesetzer von Heslach können auch ganz anders.

Stuttgart - Das Bild von den netten Hausbesetzern im Stuttgarter Stadtteil Heslach bekommt weitere Risse. Nahezu alle Beteiligten gehören nach Angaben aus Sicherheits- und Justizbehörden der rund 50 Mitglieder starken linksextremistischen Szene Stuttgarts an und sind der Polizei bereits in der Vergangenheit unangenehm aufgefallen.

Anklage gegen Sprecher

Der Sprecher des Aktionsbündnisses „Recht auf Wohnen“, den die Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-plus im Stuttgarter Gemeinderat als Mitarbeiter beschäftigt und der als Ansprechpartner für das sogenannte „Besetzerkollektiv“ fungierte, muss sich am 30. Juli vor dem Amtsgericht Stuttgart wegen Landfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verantworten. Ihm drohe eine Bewährungsstrafe, wenn nicht gar Gefängnis, heißt es.

Demo nächsten Donnerstag

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, bei Krawallen gegen die rechtsgerichtete „Demo für alle“ im Februar 2016 eine Polizeiabsperrung durchbrochen zu haben. Laut Polizei gab es 21 Verletzte, darunter sechs Beamte. Zudem soll er 2016 bei einer weiteren Demo vermummt und mit einer Rauchbombe unterwegs gewesen sein. Der Sprecher, der bereits fünf kleinere Verurteilungen auf dem Kerbholz hat, zählt laut Verfassungsschutz zu den „führenden Köpfen“ der linksextremistischen Szene in Stuttgart. Das Aktionsbündnis hat für kommenden Donnerstag zu einer Demo gegen Wohnungsnot und steigende Mieten auf dem Stuttgarter Marktplatz aufgerufen. An dem Tag will der Gemeinderat das Thema diskutieren.

Freie Wähler auf Distanz

Laut Jürgen Zeeb, Fraktionschef der Freien Wähler im Gemeinderat und Vize von Haus und Grund in Stuttgart, sieht man die Hausbesetzung im bürgerlichen Lager des Stadtparlaments zunehmend kritisch. „Dass das Ganze möglicherweise gesteuert war und inszeniert wurde und die Linken da federführend mitmachen, das ist eigentlich entsetzlich“, sagt er. Einen Mitarbeiter, der als Extremist vom Verfassungsschutz beobachtet wird und dem Gewalttaten zur Last gelegt werden, würden die Freien Wähler laut Zeeb nicht dulden. „Den würden wir entlassen.“ Auch Martin Körner, Chef der SPD-Fraktion im Gemeinderat, sagt: „Bei uns werden keine Extremisten beschäftigt.“

Sprecher schweigt zu den Vorwürfen

Der Sprecher des Aktionsbündnisses wollte sich zu der Anklage gegen ihn nicht äußern. Er zeigte sich nur empört darüber, dass aus Sicherheitskreisen offenbar Infos über seine Person weitergegeben wurden. Zugleich wiederholte er seine Forderung, die dreiwöchige Besetzung der beiden Wohnungen durch eine Alleinerziehende sowie ein junges Paar mit Kind danach zu beurteilen, wie sie abgelaufen sei, nämlich friedlich.

Ein Paar mit Vergangenheit

Tatsächlich verlief die Zwangsräumung der Wohnungen Ende Mai reibungslos. Allerdings kam es im Nachgang offenbar zu einem unschönen Zwischenfall: Ein Sympathisant, der in dem Haus legal wohnt und als Linksextremist über 13 Verurteilungen verfügen soll, soll in der Nacht nach der Zwangsräumung gegen 1.30 Uhr mit seinem Kind auf dem Arm nach Hause gekommen sein und zwei Beamte, die eine erneute Besetzung der Wohnungen verhindern sollten, als „Drecksmenschen“ und „Arschlöcher“ beleidigt haben. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte, dass man nicht nur gegen die Besetzer wegen Hausfriedensbruchs, sondern auch gegen eine weitere Person wegen Beleidigung ermittle. Der mutmaßliche Täter lebt seit Jahren mit seiner Freundin in dem betroffenen Haus. Die Freundin gehört ebenfalls der linken Szene an. Sie hatte 2007 versucht, dem damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) eine Torte ins Gesicht zu werfen. Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass das Paar bei der Auswahl der Wohnungen und der Besetzung geholfen hat.

War das Motiv wirklich Wohnungsnot?

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft wies zugleich darauf hin, dass bei der Strafzumessung für den Hausfriedensbruch auch einschlägige Vorstrafen sowie die Motivlage eine Rolle spielten. Dies könnte für zwei der drei Besetzer besonders bedeutsam sein.

Beide sind bereits insgesamt neunmal wegen Delikten verurteilt, die für Linksextremisten typisch sind. Auf der Liste stehen Dinge wie Landfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, gemeinsam begangene gefährliche Körperverletzung, Vermummung sowie das Mitführen einer Waffe auf einer öffentlichen Versammlung. Die dritte Besetzerin hatte sich zuvor noch keiner Straftat schuldig gemacht. Dem Vernehmen nach gehört allerdings ein enges Familienmitglied von ihr, das direkt neben dem zeitweilig besetzten Haus wohnt, der linksextremistischen Szene an.

„Das Problem ist das System“

Dass es bei der Besetzung weniger um echte Wohnungsnot ging, war Staatsschützern schnell klar. Alle Besetzer verfügten über eine Meldeadresse, waren also nicht dringend auf eine Wohnung angewiesen, und hatten sich auch nicht um eine Sozialwohnung beworben. Zudem wiesen bereits die ersten Erklärungen des sogenannten Besetzerkollektivs darauf hin, dass das Thema nur ein Vehikel ist, um extreme Botschaften zu transportieren. „Das Problem ist das System“, hieß es. Der Grund für Wohnungsnot und steigende Mieten sei „ein Wohnungsmarkt, der wie alles im Kapitalismus nicht den Bedürfnissen der Menschen“ diene. Das Kollektiv forderte unter anderem „die sofortige Enteignung von unbegründet leer stehenden Wohnungen“. Fraktionschef Zeeb erinnern solche Parolen an den Fraktionschef von SÖS/Linke-plus, Thomas Adler, der ebenfalls Mitglied des Aktionsbündnisses ist. Was der so zum Besten gebe, so Zeeb, „das ist fast schon Kommunismus pur“.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels war fälschlicherweise von einem Helm (statt einer Rauchbombe) die Rede. Dies gilt aber im Sinne des Versammlungsrechts ebenfalls als Schutzbewaffnung.