Das S-Bahn-Projekt im Bahnhof Cannstatt: die leuchtende Bansteigkante Foto: 7aktuell.de/Andreas Friedrichs

Oft macht die S-Bahn Stuttgart, die täglich von 420 000 Menschen genutzt wird, Schlagzeilen wegen Zugausfällen und Unpünktlichkeit. Jetzt gibt es positives zu vermelden: die S-Bahn erhält den Deutschen Mobilitätspreis 2018 für die leuchtende Bahnsteigkante. Wir erklären warum.

Stuttgart - Manche Fahrgäste zweifeln, was die bunten Lichter auf dem 210 Meter langen Bahnsteig 2 des Bad Cannstatter Bahnhofs zu bedeuten haben. Eine vom Parlamentarischen Staatssekretär und Ludwigsburger CDU-Bundestagsabgeordneten Steffen Bilger angeführte Jury hat die leuchtende Bahnsteigkante der Stuttgarter S-Bahn dagegen vollkommen überzeugt. Das Projekt erhält wie neun andere Vorhaben den vom Bundesverkehrsministerium ausgelobten Mobilitätspreis des Jahres 2018, zu dem 250 Vorschläge eingereicht wurden.

Gegen lange Haltezeiten

Ende Februar war das Pilotprojekt gestartet. Der im Bahnsteigboden verlegte und mit LEDs bestückte Lichtfaserbeton zeigt Symbole an, die markieren, wo der nächste Zug hält und wo die Türen aufgehen werden. Wenn sich die Fahrgäste daran halten, gehe der Ein- und Aussteigevorgang schneller, sagt Dirk Rothenstein, der Chef der Stuttgarter S-Bahn. „Die dynamische Wegeleitung mit Leuchtstreifen soll nicht nur den Kundenservice am Bahnhof verbessern, sondern auch zu lange Haltezeiten vermeiden“, sagt Rothenstein. Schließlich zähle im eng getakteten S-Bahn-Verkehr heute jede Sekunde.

Bei drei S-Bahn-Zügen wird die leuchtende Bahnsteigkante mit einer Messung der aktuellen Zugauslastung kombiniert. Dabei werden Videobilder der Kameras aus dem Wageninnern ausgewertet und die Auslastung digital übermittelt – unter Einhaltung der Datenschutzrechte, wie die Bahn versichert. Diese Angaben werden dann im leuchtenden Bahnsteig umgesetzt: Dort, wo der Wagen stark belegt ist, erscheinen rote Symbole. Bei freien Sitzplätzen leuchtet es grün – und gelbe Lichter zeigen alles dazwischen an. Beim Lichtfaserboden arbeitet die Bahn mit dem Berliner Startup SIUT zusammen, für die Auslastungsmessung ist der Londoner Partner Open Capacity verantwortlich.

Im Testbetrieb vieles geändert

Allerdings startete die Bahn das bundesweit einmalige, rund 400 000 Euro teure Pilotprojekt ausdrücklich als Test. „Die leuchtende Bahnsteigkante wird im Realbetrieb weiterentwickelt“, kündigte Rothenstein im Februar an. Und in der Tat begleiteten das Projekt Kinderkrankheiten: Die Anzeigen waren bei Tageslicht oder Sonneneinstrahlung schwer zu erkennen; vielen war ein Rätsel, was die Punkte oder Streifen bedeuteten. „Das, was wir für intuitiv verständlich hielten, war manchen Fahrgästen unklar“, räumt ein Bahnsprecher ein. Schließlich war zu klären, welche Bereiche als bevorzugte Einsteigzonen markiert werden sollten – direkt vor oder zwischen den Türen. Und auch die Frage, wie die Fahrgäste von ihrer bevorzugten Warteposition direkt an den Treppenaufgängen in andere Bereiche geleitet werden können, beschäftigt die Entwickler bis heute. „Wir haben viel über Fahrgastströme gelernt, das sind komplexe Zusammenhänge“, sagt der Sprecher. Neben der besseren Analyse der Auslastungsdaten in der S-Bahn versprechen sich die Experten auch weitere Hinweise über ungenutzte Zugkapazitäten, über Ein- und Ausssteigemuster und über externe Einflüsse wie das Wetter oder Veranstaltungen.

Deshalb wird der Testbetrieb auch bis Ende des Jahres verlängert, vor allem um die Anzeige zu den aktuellen Platzverhältnissen zu verbessern. Dies werde von den Fahrgästen, so das Ergebnis von Befragungen, als „großer Mehrwert gesehen“, so Rothenstein, der den Preis auch als Entscheidungshilfe sieht: „Wir würden uns freuen, wenn wir die dynamische Wegeleitung künftig auch an anderen Stationen einsetzen könnten.“