„Heimat“ in Großbuchstabe am Rande eines Neubaugebiets in Wetzgau, Schwäbisch Gmünd. Foto: Kreuzschnabel/Wikimedia Commons

Teil zwei der Leserreaktionen auf unsere Frage nach Heimat. Sie zeigen, dass der Begriff unterschiedlich interpretiert, der „Heimat“ aber große Bedeutung zugemessen wird.

Stuttgart - „Was bedeutet Heimat für Sie persönlich?“ Aus der Fülle von Leserreaktionen, die wir auf unsere Frage vom 9. Oktober erhalten haben, veröffentlichen wir auszugsweise weitere Beiträge. Darin zeigt sich erneut, wie sehr diese Frage an Emotionen rührt:

Die Gegend, in der ich mich auskenne

Heimat ist für mich, wo ich geboren bin, wo ich wohne, wo ich mich auskenne – und nicht nach dem Weg fragen muss.

Fritz Flattich, Wiernsheim

Heimat ist dort, wo man glücklich ist

Als 102-jährige habe ich viel Zeit zum Zurückdenken. „Heimat“ habe ich bewusst erlebt und erlebe sie noch immer. Während des ersten Weltkrieg wurde ich in dem Schwarzwaldhaus meiner Großeltern geboren. „Oh Schwarzwald, oh Heimat“ wurde gesungen. Singen und Musizieren waren Teil unseres Familienlebens. Das war für mich eine prägende Erfahrung. „Heimat“ trage ich in mir mit großer Dankbarkeit gegenüber denjenigen, die sie uns Kindern mitgegeben haben. Heute ist meine Heimat bei meiner Tochter in Reutlingen – samt Rosengarten. Das zeigt: Heimat ist überall dort, wo man glücklich ist.

Hildegard Limbach, Reutlingen

Die Freude über eine warme Laugenbrezel

Für mich ist Heimat ein Ort, an dem ich gerne nach einem Urlaub zurückkehre und das Gefühl habe heimzukommen. Ich genieße meine Umgebung, Natur, bekannte Gesichter, Freunde, Familie und auch Hilfe, wenn ich sie brauche. Heimat bedeutet mir, dass ich umgeben bin von Dingen die mir persönlich wichtig sind, die ich wertschätze. Heimat ist, wo ich sein kann wie ich bin und wo ich mich auch unglaublich über eine warme, frisch gebackene Laugenbrezel freuen kann.

Kathrin Henger, Stuttgart

Der Ort, wo man „Blombenzieher“ sagt

Zuhause ist dort, wo ich schon lange lebe und alle Lieben um mich sind. Heimat aber ist für mich da, wo ich aufgewachsen bin, wo die Felder unterteilt sind, wo alte Obstbäume blühen und Früchte tragen, wo es Wälder gibt, die nicht „aufgeräumt“ sind und da wo man meinen Dialekt spricht. Wo schwarze Cote D’or Bonbons „Blombenzieher“ heißen und letztendlich: wo das Grab meiner Eltern ist.

Waltraud Streit

Hesses Heimatbegriff

Mein Beitrag zum Thema „Heimat“ stammt von Hermann Hesse. Dem kann ich von ganzem Herzen nachempfinden. Zitat: „Die Heimat kann eine Landschaft sein, oder ein Garten, oder eine Werkstatt, oder ein Glockenklang, oder ein Geruch. Das, worum es sich handelt, ist die Erinnerung an die Zeit des Heranwachsens, an die ersten, stärksten heiligsten Eindrücke unseres Lebens. Dazu gehört auch die Mundart der Heimat.“

Ingeborg Moser, Stuttgart

Der Anblick des Fernsehturms

Am Kriegsende bin ich als Bub im Bayrischen Wald gelandet. Es folgten die Stationen Hohenschwangau (Internat) - Frankfurt/M. (Schule), Fellbach (Berufsausbildung). Schließlich kam ich in Botnang an. Stuttgart ist eine schöne Stadt mit viel Grün, einem tollen kulturellen Angebot, einer landschaftlich vielfältigen Umgebung. Hier genieße ich Spaziergänge durch den Schwarzwildpark mit den Urenkeln. Ebenso mit netten Freunden ein Glaserl Wein oder Bier zu trinken. All dies ist für mich alten Knaben „Heimat“ Wenn ich früher beruflich im Rhein-Neckar-Gebiet zu tun hatte und aus dem oft dunstigen Flachland auf der Heimfahrt die ersten Hügel und den Fernsehturm erblickte, wusste ich sofort: Jetzt bist du gleich daheim – und alle Anspannung und Müdigkeit waren verflogen.

Karl Bahner, Stuttgart

Eingebunden sein – als Kind und im Alter

Das Wort Heimat hat einen besonderen Klang, es bedeutet Geborgenheit und Fürsorge, Eingebundensein in die elterliche Pflege. Das umfasst Kleidung, Nahrung und Wohnung und Liebe, Verständnis und Wohlwollen! So ist das normale Wachstum eines Kindes garantiert. Dort, wo diese Voraussetzungen unterbrochen sind, ist das Werden gestört. Haben wir als die älterwerdende Generation andere Bedürfnisse? Ich kann von mir sagen, das waren auch meine Wünsche, als ich mich nach einem Pflegeplatz umgesehen habe. Dabei fiel mir der Erich-Schumm-Stift in Murrhardt ins Auge, zumal ich während meiner seelsorgerischen Tätigkeit schon öfters dort eingeteilt war, um Kranken zu betreuen. Nach dem Tod meiner lieben Frau wurde dieses Verlangen immer stärker, obwohl ich zu Hause von meinen Betreuerinnen sehr gut versorgt wurde. Dann kam im Dezember 2016 ein Anruf von der Erich-Schumm-Stiftung: „Herr Herold, wir haben für Sie ein Zimmer, wollen Sie sich das ansehen.“ Ich habe das Angebot akzeptiert und bin im Januar für den Rest meines Lebens hier eingezogen. Wenn mich meine Bekannten anrufen und mich fragen: „Wie geht es dir?“, kann ich sagen: ,,Ich bin ein ganzjähriger Urlauber!“ Ich erfreue mich vollkommener Zufriedenheit.

Arthur Herold, Murrhardt

Ruhe und Geborgenheit

Heimat bedeutet für mich meine enge und gefühlsbetont beglückende Beziehung, vertraut inmitten eines gepflegten Umfeldes in einer Aura der Ruhe sowie Geborgenheit. Verknüpft damit sind die lokal günstigen Bedingungen und das Geschichtsbewusstsein. Auch Landschaftsreize zähle ich dazu mit nah gelegenen schönen Ausflugsorten. Zu einer Art Heimat zähle ich auch von mir einst gern besuchte Orte meiner Schuljahre und Jugendzeit. Des weiteren erlebte Natur, wie ein Schwarm glitzernde Fische, reife Blaubeeren in den Wäldern oder mit Herbstzeitlosen bewachsenen Wiesen. Und schließlich kommt hinzu: das gedeihliches Zusammenleben von Menschen, keine Unordentlichkeiten und überhaupt die Demokratie. Wobei ich besonders unsere Rechtsordnung als Teil der Lebensordnung zu schätzen weiß.

Rolf Wenning, Backnang

Heimat ist ein Stück Brot

Im Juli 1945 bin ich, ein entlassener, ausgehungerter Soldat, in den Trümmern der Ulmer Innenstadt unterwegs. Wohin? Die Heimatstadt Pforzheim ist ein Trümmerhaufen. Da begegne ich einer alten Frau, sie kramt in ihrer Tasche und gibt mir ein Stück trockenes Brot: „Sie hent sicher Hunger.“ Das war für mich damals ein Stück Heimat.

Klaus-Dieter Hensel, Reutlingen

Der Ort, wo ich das „Hermännle“ bin

Heimat bedeutet für mich, der kleine Ort, wo ich einst (bin 91 Jahre) in das Kinderschüle und später in die einklassige, von von einem Lehrer betreuten Volksschule ging, wo mich alle Einwohner kannten und mich. „Hermännle“ nannten. Wo ich auf der Schulstaffel noch die Hausaufgaben machte, weil ich daheim auf dem Feld schaffen musste und keine Zeit für Schulaufgaben mehr hatte.

Hermann Käßmann, Ditzingen-Schöckingen

Von Dresden nach Stuttgart

Meine Geburtsstadt ist Dresden. Das kann ich nicht mehr ändern. Meine Heimatstadt ist Stuttgart. Das will ich nicht mehr ändern. Seit 1952 bin ich in Württemberg, seit 1953 in Stuttgart, seit 1959 in Heumaden. Inzwischen zähle ich zu den „alten“. Hier kennen mich viele Leute und ich kenne viele Leute. Hier steht mein Haus und hier fühle ich mich wohl. Hier bin ich daheim.

Karlheinz Gühne, Stuttgart-Heumaden

Heimat bleibt im Herzen

Für mich ist Heimat dort, wo ich geboren bin und da wo ich lebe – seit 1962 in Stuttgart, da ist mein Zuhause. Ich fühle mich hier sehr wohl, weil meine Familie (drei Kinder) und drei Enkelkinder wohnen. Meine Heimat Böhmerwald aber bleibt immer in meinem Herzen. 1946, im Alter von sieben Jahren musste ich sie mit meinen Eltern und sieben Geschwistern verlassen. Seit 1972 besuche meine alte Heimat regelmäßig. Millionen wurden damals aus ihrer Heimat vertrieben. Es können sich wenige vorstellen, was es bedeutet heimatlos zu sein und kein Dach über dem Kopf zu haben. Das schlimmste aber war der Hunger. Ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben. Unsere Kriegsflüchtlinge wissen wie das ist.

Norbert Fux, Stuttgart

Auf der Suche nach Himat

Es gibt auch Menschen die nicht mehr wissen, wo ihre Heimat ist. Im Krieg wurde ich in Stuttgart dreimal ausgebombt und immer wieder ein- und ausquartiert. Später war es nicht möglich, hier eine bezahlbare Wohnung zu bekommen. Ich musste in weitem Umkreis suchen und wurde als „Reigschmeckte“ begrüßt. In meiner heutigen Umgebung bin ich Nachbar von fast allen Nationalitäten. In einer Stuttgart Pflegeheim gehen, um meinem letzten Angehörigen nahe zu sein, kann ich nicht, da ich keine Stuttgarterin bin. Sagen Sie mir, wo ist meine Heimat?

Ursula Keck, Gäufelden

Unterwegs mit meinem Heimat-Menschen

Meine erste Heimat ist mein Wohnort Aichtal-Neuenhaus, in dem ich von Kindheit an lebe. Dort treffe ich auf bekannte Menschen, dort kenne ich jede Straße und freue mich am Wald, der unser Dorf umgibt, das am Rande des Schönbuchs liegt. Ich freue mich am Vertrauten und Gewohnten, das tut mir gut und gibt mir Geborgenheit. Heimat ist natürlich meine Familie: mein Ehemann und auch mein Vater. Mein christlicher Glaube mit zugehörender Gemeinde in der ich seit der Jugendzeit aktiv bin, ist mir Heimat seit Kindertagen. Meine zweite Heimat war in der Schweiz der Kanton Wallis, in dem wir 40 Jahre ein Zuhause hatten. Ich habe Heimweh nach den majestätischen Bergen. Wenn ich heute mit meinem Ehemann verreise, ist er der Heimat-Mensch, der mich begleitet und den ich nicht missen möchte. Dann bin ich zwar nicht geografisch im Heimatort, habe aber den Menschen dabei, der meine Heimat und meine Liebe ist.

Elke Solbrig, Aichtal-Neuenhaus