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Olympia mag kein Genuss sein - aber es ist noch etwas ganz Besonderes, sagt Dirk Preiß.  

Wenn an diesem Sonntag die Olympischen Winterspiele zu Ende gehen, wird es sein wie immer: Es bleiben jede Menge Erinnerungen. An glückliche Gewinner, an die Tränen der Verlierer, an außergewöhnliche Momente - und an den Bus. Der nämlich ist mit großem Abstand das wichtigste Fortbewegungsmittel im olympischen Verkehrssystem, und am Ende wird es auch mit dem Busfahren so sein wie immer. Es bleiben wieder jede Menge Erinnerungen. Weil man im Bus jede Menge Leute trifft. Zum Beispiel Frank Wörndl.

Der Mann war einst Deutschlands bester Slalomfahrer, er war dreimal bei Olympischen Spielen dabei, und wir dachten, er würde ein bisschen schwärmen - und sagen, dass die Spiele das Größte sind. Aber er sagte nur: "Olympia kannst du nicht genießen." Warum eigentlich nicht? Weil es so verdammt viele Widersprüche gibt - die alle in der Frage münden: Ist dieses ganze olympische Getue eigentlich noch zeitgemäß?

Sie wollen die besten Sportler der Welt, sie sollen so richtig gefordert werden, damit es denkwürdige Wettkämpfe gibt. Aber das Internationale Olympische Komitee will auch die Kleinen nicht ausschließen - jene, die mitunter heillos überfordert sind. Und die sich riesigen Gefahren aussetzen, um ihren Traum verwirklichen zu können.

Sie wollen, dass alles so ein bisschen ist wie früher, als Sportler noch Amateure waren. Also wird millimetergenau vorgeschrieben, welcher Sponsorname wie groß auf welcher Jacke zu sehen sein darf. Sie wollen den Sportlern den großen Reibach verwehren - machen ihn aber selbst. Mit exklusiven und millionenschweren Werbeverträgen und Maßnahmen, die auch all jene schröpfen, die die olympische Idee transportieren sollen. Ein Beispiel: Für die Nutzung des kabellosen Internets im Pressezentrum sind fast 400 Euro zu berappen. Sie wollen, dass die Athleten ihre besten Leistungen genau dann bringen, wenn die olympischen Wettbewerbe anstehen. Aber sie machen es den Sportlern schwer, sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können. Mit unzähligen Einlasskontrollen, mit spartanischen Unterkünften und Zutrittsverweigerungen selbst für die nächsten Verwandten. Sie wollen olympische Ideale hochhalten, Fair Play zum Beispiel, oder den Grundgedanken, dass Sport in erster Linie Spaß machen soll. In Sorge um die bestmögliche Show aber werden Bobbahnen zu lebensgefährlichen Hochgeschwindigkeitspisten. Oder es werden um der Jugendlichkeit Willen Sportarten ins Programm genommen, deren entscheidender Teil der Einsatz von Ellbogen ist. Man kann also tatsächlich auf die Idee kommen, das alles habe mit Genuss wenig zu tun.

Aber man kann es auch anders sehen.

So nämlich, dass es gar nicht die Olympischen Spiele wären, ginge es hier zu wie bei den übrigen Wettkämpfen. Dass es doch auch mal ganz nett ist, den Sport ohne den Schraubenhersteller auf dem Gewehr, den Autobauer überm Zielstrich oder dem Weißbierbrauer auf dem Helm zu erleben. Dass es schön zu sehen ist, wie ganze Nationen gemeinsam mit ihren Sportlern zittern, und wie sich im Idealfall sogar Grenzen auflösen durch die Integrationskraft des Sports. Dass Randsportarten ohne die olympische Aufmerksamkeit wohl gänzlich aus dem Interesse der Menschen verschwinden würden - und sie womöglich irgendwann keiner mehr betreiben möchte. Dass auch die Sportler, die nun mäkeln, sie könnten sich in diesem starren Rahmen nicht entsprechend vermarkten, daran denken sollten, welche Möglichkeiten ihnen solch ein Auftritt im Nachklang bieten kann.

Und so sitzen wir irgendwann wieder im Bus, denken noch einmal kurz über all das nach und kommen zu dem Schluss: Olympia mag kein Genuss sein - aber es ist immer noch etwas ganz Besonderes.