Der Umstieg auf den Nahverkehr könnte den vom Fahrverbot betroffenen Autofahrern durch günstige Tickets erleichtert werden. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Interpretationen des Leipziger Urteils zum Dieselfahrverbot reichen weit. Land und Stadt Stuttgart wollen ihr Vorgehen nun besprechen.

Stuttgart - Nach dem Leipziger Fahrverbots-Urteil sortieren sich Land und Stadt. Es gibt wenige Konkretisierungen zum Vorgehen.

Wird ein Fahrverbot in Stufen in ganz Stuttgart gelten? Ja, auch wenn Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) im Interview mit unserer Zeitung sagte, man prüfe, ob man nur die Kesselzone nehme. Sein Sprecher sagte am Mittwoch, das könne wegen der Verhältnismäßigkeit möglich sein. Das Gericht hat diese Möglichkeit aber nicht eröffnet, und das Land hat im Luftreinhalteplan selbst nachgewiesen, dass dann die Grenzwerte nicht eingehalten werden können. Wer außerhalb des Kessels wohnt oder nicht einfährt, sollte sich daher keiner Illusion hingeben.

Kommt das Fahrverbot nur temporär? Nein, es kommt ganzjährig. weil nur dann lauft Luftreinhalteplan die Stickstoffdioxid-Grenzwerte erreichbar sind. „Das macht keinen Sinn“, so die Kfz-Innung Region Stuttgart in einer Pressemitteilung, denn die Überschreitungen „beschränken sich im Grunde nur auf wenige Tage im Jahr“. Beklagt wurde aber die Überschreitung des Stickstoffdioxid-Jahresmittelwerts. Die Kfz-Innung meint wohl die Überschreitungstage beim Feinstaub. Damit hat das Urteil aber nichts zu tun hat.

Kann das Urteil ignoriert werden? Das fordert zum Beispiel die CDU-Gemeinderatsfraktion. Das Land solle „aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf Fahrverbote verzichten“. Das liest sich wie eine Aufforderung zum (fortgesetzten) Rechtsbruch. Das Leipziger Gericht hat die Revision des Landes gegen ein Fahrverbot eindeutig abgewiesen. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit sollen Euro-5-Diesel zunächst geschont und erst Diesel bis Euro 4 und Benziner bis Euro 2 bis zum Jahresende mit einem Fahrverbot belegt werden.

Wird es weiter Feinstaubalarm geben? Darüber beraten Stadt und Land. Da Feinstaub auch aus dem Bremsen- und Reifenabrieb und modernen Benzinern (Direkteinspritzung) ohne Partikelfilter stammt, wäre die Beibehaltung zwar inhaltlich vertretbar, der Autofahrer bei einem Fahrverbot ab Herbst und Feinstaubalarm (wieder ab 15. Oktober) womöglich maximal verwirrt. Daher sprechen die Verantwortlichen auch über die Abschaffung.

Wird es verbilligte VVS-Tickets geben? Erst gab es bei Feinstaubalarm das Kinderticket für Erwachsene, nun das günstige Tagesticket. Bei einem Fahrverbot wolle der Verkehrsverbund, so Geschäftsführer Horst Stammler, gern ein „wie auch immer geartetes Ticket als Anreiz zum Umsteigen“, anbieten. Stammler nimmt an, dass das Bürger und Politiker erwarten „und unsere Gesellschafter das auch so sehen“. Die grundlegende Tarifreform, die die Zonen reduzieren und beim Fahrpreis Entlastung bringen soll, käme frühestens im Jahr 2019.

Gibt die Stadt Autofahrern Fördergeld für ein schadstoffarmes Auto? Davon kann man träumen. Gefördert werden nur die Umstellung von Taxen auf E-Antrieb und der Wechsel des stadteigenen Fahrzeugebestandes, nicht der des Bürgers.

Braucht man die Grüne Plakette noch? In Stuttgart nicht mehr, weil die Fahrverbote laut Gericht mit eigenen Verkehrszeichen geregelt werden. Aber die Plakette gilt ja in anderen Städten weiter.

Verhindert die Blaue Plakette ein Fahrverbot? Das wäre ein Trugschluss. Die Blaue Plakette würde das Urteil, schnellstmöglich die Grenzwerte einzuhalten, nicht aufheben. Sie wäre nur ein Fahrverbot, das sich leichter überwachen ließe.