Langstreckenläuferin Alina Reh ist empört, weil Läufe ab 1500 Metern bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig gestrichen werden sollen. Foto: imago images/Laci Perenyi

Die Langstrecken-Asse Alina Reh und Dieter Baumann kritisieren die Marschroute des Deutschen Leichtathletik-Verbands. Denn: Bei den Deutschen Meisterschaften im August in Braunschweig fehlen Disziplinen.

Stuttgart - Alina Reh ist wie viele deutsche Langstrecken-Asse zurzeit irritiert – wenn nicht sogar empört. Bei den Deutschen Meisterschaften im August in Braunschweig steht jede Disziplin auf dem Plan, nur die Langstreckenläufe ab 1500 Metern sollen wegen der Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus gestrichen werden. „Ich finde es blöd, dass wir Langstreckler nicht die Möglichkeit haben, bei den Deutschen Meisterschaften zu starten“, sagt Alina Reh und ärgert sich.

Noch ist nicht aller Tage Abend. So hofft die 23 Jahre alte Athletin, dass es doch noch eine Wende zum Guten gibt. „Es finden vor allem im Ausland peu a peu Laufveranstaltungen statt“, sagt Alina Reh. „Deshalb ist bei mir die Hoffnung für Braunschweig noch nicht ganz begraben.“ Was sie macht, ist klar: sie trainiert, als würde sie an den Start gehen, es hilft ja nichts. „Sollten wir in Braunschweig laufen, wäre ich fit. Ansonsten bin ich trotzdem fit, laufe aber nicht.“

Langstrecke nein, Fußball ja

Tatsächlich will der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) abwarten, wie sich die Corona-Bestimmungen hierzulande bis zum August entwickeln. „Wir verfolgen natürlich die aktuellen Lockerungen, und wenn eine Möglichkeit besteht, planen wir Wettbewerbe der Mittel- und Langstrecke ein“, sagte DLV-Präsident Jürgen Kessing. Trotzdem wird die bisherige Entscheidung, am 8. und 9. August auf die langen Strecken zu verzichten, nicht nur bei den direkt betroffenen Athleten als dürftig begründeter Aktionismus wahrgenommen. Warum etwa ist das Ansteckungsrisiko bei einem 5000-Meter-Lauf höher als bei einem Rennen über die 800 Meter? Auch im Vergleich mit anderen Sportarten ruft die DLV-Entscheidung eher Kopfschütteln hervor, aber kaum Verständnis.

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Auch bei Alina Reh ist das so. „Ich verstehe es nicht ganz. Die Sprinter können eine Bahn dazwischen frei lassen, dann haben sie die eineinhalb Meter Abstand. Das können wir Langstreckler zwar nicht - aber im Fußball geht’s und im Basketball geht’s ja auch. Es ist schwierig zu begreifen, warum man bei uns nicht zehn bis zwölf Läufer an die Startlinie stellen kann“, sagt die für den SSV Ulm startende U-23-Europameisterin über 10 000 Meter und wundert sich über die Gründe für die Nichtberücksichtigung ihrer Disziplinen.

Training ohne Perspektive

Der Olympiasieger Dieter Baumann ist derselben Meinung wie Reh und viele andere Athleten. Der ehemalige Langstreckenläufer findet deutsche Leichtathletik-Meisterschaften ohne Laufwettbewerbe „nicht akzeptabel“. „Ich verstehe das überhaupt nicht“, sagte der 55 Jahre alte Tübinger, der bei Olympia über die 5000 Meter eine Gold- und eine Silbermedaille holte. Seiner Meinung nach könne man die Läufer am Abend vorher testen und dann in ein Hotel stecken, dazu benötige man keine Quarantäne. Sollte es an den Kosten für die Tests scheitern, so Baumann, „dann zahle ich die Tests für die 5000 Meter“. Alina Reh findet das übrigens gut. „Das wäre auf jeden Fall cool“, sagt sie.

Sollten die Deutschen Meisterschaften für die Ulmerin nicht stattfinden – wann ist dann der nächste Termin? „Es ist sehr schwierig zurzeit, tagtäglich kommen andere Informationen darüber, was so alles anstehen könnte“, sagt Alina Reh über den allgemeinen Schwebezustand. Sie und ihre Langstrecken-Kolleginnen versuchen zurzeit dennoch, im Training die Wettkampfformen aufzubauen und sich intensiver zu belasten. Die Läufe werden wieder kürzer, dafür aber schneller.

Vielleicht gibt es bald mal einen 5000-Meter-Lauf in Regensburg, vielleicht aber auch eine andere Langstreckenveranstaltung irgendwo auf der Straße - vielleicht geschieht aber auch nichts. So sieht es Alina Reh. Und jetzt ist auch noch der Start bei den Deutschen Meisterschaften unsicherer denn je. Da fällt es den Athletinnen schwer, sich im Training überhaupt zu motivieren. Sie bekomme es trotzdem irgendwie hin, sagt Alina Reh und lächelt tapfer. Das Leben muss ja weitergehen.