In Zeiten wachsenden Lehrermangels sollen Pädagogen von allen unterrichtsfremden Aufgaben entlastet werden. Foto: dpa/Patrick Pleul

Im Kampf gegen den Lehrermangel müssen bisherige Tabus fallen. Das zeigt der Maßnahmenkatalog, den wissenschaftliche Berater den Kultusministern empfehlen.

Der akute Lehrermangel in Deutschland ist nach Einschätzung von Bildungsexperten nur mit einem ganzen Katalog tief greifender Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Ihre eigene Expertenkommission schlägt der Kultusministerkonferenz (KMK) deshalb Reformen vor, die Mehrarbeit von Lehrkräften während ihres Arbeitslebens und über den Ruhestand hinaus ermöglichen. Außerdem sollen die Rechte auf Teilzeitbeschäftigung von Lehrern eingeschränkt, Seiteneinstiege bei Mangelfächern erleichtert, Gymnasiallehrer für andere Schularten weiterqualifiziert und Studenten sowie andere Hilfskräfte ohne vollständige Qualifikation zur Unterstützung von Lehrern an die Schulen geholt werden. Darüber hinaus sollten die Schulbehörden nach Ansicht der Bildungsforscher verstärkt Lehramtsabschlüsse aus dem Ausland anerkennen und Pädagogen mit Abschluss in nur einem Studienfach zum Unterricht zulassen.

Brisante Empfehlung für Baden-Württemberg

Um die Unterrichtsversorgung in der Fläche der Republik zu verbessern, schlägt die Expertenkommission die Bildung größerer Klassen vor. Schon eine maßvolle Erhöhung der Klassenfrequenzen schaffe ein erhebliches Potenzial, um mehr nominale Lernzeit zu gewinnen, heißt es in dem Bericht. Zwar votieren die Bildungsforscher dafür, zunächst eine solide Datengrundlage über die Klassengrößen in Deutschland zu erheben, aber ihr Fazit liest sich schon jetzt klar: In besonderen Mangelsituationen müssen selbst die bisherigen Obergrenzen für die Klassenbildung erhöht werden. „Als Ultima Ratio darf auch eine befristete Erhöhung der maximalen Klassenfrequenz in der Sekundarstufe I nicht ausgeschlossen werden“, heißt es in dem Bericht.

Für Baden-Württemberg besonders brisant ist eine Empfehlung zur regionalen Schulentwicklungsplanung. Um alle Schulen mit qualitativ hochwertigen Unterrichtsangeboten versorgen zu können, empfiehlt die Kommission kleinere Schulen im ländlichen Raum zu größeren Einheiten zusammenzufassen. Im Südwesten haben 8000 von rund 2400 Grundschulen weniger als hundert Schüler.

Auch für die Schüler soll sich einiges ändern. Um mehr Flexibilität beim Einsatz der Pädagogen zu gewinnen, bringt die Ständige Wissenschaftliche Kommission (SWK) eine Vergrößerung der Klassen ins Gespräch, setzt auf hybride Unterrichtsformen, bei denen ein Teil der Schüler im Klassenzimmer und ein Teil am Computer lernt. Außerdem sollen die Schülerinnen und Schüler im Unterricht längere Phasen des Selbstlernens ohne Anleitung durch ihre Lehrer bewältigen als es bisher üblich ist.

Verwaltungsmitarbeiter sollen Lehrer entlasten

Das Vierzig-Seiten-Papier für die KMK hat es in sich. Seitenweise listen die Berater dort unpopuläre Instrumente auf, die bei Lehrer- und Elternvertretern in der Vergangenheit zuverlässig massive Empörung ausgelöst haben. Darüber hinaus legen die Bildungsexperten den Schulministern auch eine bessere Gesundheitsförderung ans Herz, um Überlastungen im Schulalltag und den Trend zu vorzeitigen Pensionierungen zu bremsen. Außerdem dringt die SWK auf die nachhaltige Entlastung der Lehrer von unterrichtsfremden Aufgaben. Die Schulen sollten „angemessen“ mit Verwaltungsmitarbeitern ausgestattet werden, damit Bibliotheken, Fachräume, die IT-Ausstattung und die Vorbereitung von Klassenfahrten nicht mehr von den Lehrern übernommen werden müssen.