Schülerinnen ist das Kopftuch erlaubt, Lehrerinnen bisher nicht Foto: dpa

Grüne und SPD wollen das Kopftuch­verbot für Lehrerinnen und Erzieherinnen streichen. Den Oppositionsparteien gehen die geplanten Lockerungen zu weit.

Stuttgart - Seit 2004 verbietet das baden-württembergische Schulgesetz muslimischen Lehrerinnen, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden, dass das Land eine entsprechende Kopfbedeckung nur untersagen könne, wenn es auch ein entsprechendes Gesetz gebe. Das Gesetz war seinerzeit mit den Stimmen von CDU, FDP und SPD verabschiedet worden, die Grünen plädierten damals für eine Einzelfallregelung. Entsprechende Vorschriften gelten auch für Erzieherinnen.

Nun wird die Forderung der Grünen, im Einzelfall zu entscheiden, doch noch Wirklichkeit. Denn seit März dieses Jahres ist die jetzige Regelung nichtig. Das Bundesverfassungsgericht gab einer Muslimin aus Nordrhein-Westfalen recht, die gegen das Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen geklagt hatte. Ein pauschales Verbot verstoße gegen die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, argumentierten die obersten Richter. Es dürfe nur im Einzelfall ausgesprochen werden, beispielsweise wenn der Schulfrieden gestört sei.

Aus Sicht der Regierungsfraktionen betrifft diese Entscheidung auch das Schulgesetz von Baden-Württemberg. Mit einer zügigen Änderung solle „möglichst rasch Rechtssicherheit an den Schulen und in den Kinderbetreuungseinrichtungen geschaffen werden“, sagte Edith Sitzmann, Fraktionschefin der Grünen, am Mittwoch im Landtag. Durch das neue Gesetz werde sich an der Neutralitätspflicht für Lehrkräfte nichts ändern, erklärte SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel. Würden sie für das Kopftuch werben, dann werde der Schulfriede gestört, und dann müsse die Schule eingreifen.

Die Frage nach dem Schulfrieden

CDU und FDP warfen den Regierungsfraktionen einen „Schnellschuss“ vor. Bevor sie sich dem Antrag anschließen könnten, müsse geklärt werden, ob das christliche Privileg, das seit 2004 im Schulgesetz verankert ist, abgeschafft werden dürfe, sagte der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Georg Wacker. Auch sei offen, wer entscheide, ob eine Lehrerin mit Kopftuch den Schulfrieden störe. Zu diesen Fragen wollen CDU und FDP am 17. Juli Vertreter von Kirchen, Schulen, Wissenschaft und Kommunen sowie Eltern anhören.

Timm Kern, Bildungsexperte der FDP-Fraktion, forderte Grüne und SPD auf, „nach Möglichkeiten zu suchen, um den Schulleitungen den Rücken freizuhalten“. Diese müssten künftig Entscheidungen treffen, „die nicht nur für das Miteinander an der Schule von zentraler Bedeutung sind, sondern auch grundlegende Rechte von Personen betreffen.“

Die Vorgaben der Richter ließen keine Spielräume zu, erklärte Kultusminister Andreas Stoch am Mittwoch im Landtag. Das christliche Privileg, das das Schulgesetz seit 2004 enthält, widerspreche der Verfassung. „Das bedeutet nichts anderes, als dass die Vorschrift im Schulgesetz nicht mehr beachtet werden darf“, so der SPD-Politiker. Seiner Ansicht nach sollten auch an Schulen und an Kindertageseinrichtungen Personen ihrer Religion Ausdruck verleihen können. „Hier darf es keine Unterschiede zwischen den Religionen geben“, sagte er. Lehrkräfte dürften allerdings nicht missionieren.

„Verstoß gegen die Neutralitätspflicht“

Stoch warnte auch davor, Konflikte herbeizureden. Die Erfahrungen mit Referendarinnen zeigten, dass das Kopftuch den Schulfrieden nicht störe. Dass sie ihre Haare bedeckten, sei in der Regel nur am Anfang ein Thema. Nach kurzer Zeit werde die Kopfbedeckung als Teil ihrer Persönlichkeit wahrgenommen. Im Unterschied zu Lehrerinnen dürfen Referendarinnen mit Kopfbedeckung ins Klassenzimmer, weil sie den praktischen Teil ihrer Lehrerausbildung nur an einer öffentlichen Schule beenden können. Nach dem Referendariat können sie auch an einer Privatschule unterrichten.

Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) betrachtet es als „Verstoß gegen die Neutralitätspflicht“, wenn muslimische Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten. Zu befürchten sei, dass das Karlsruher Urteil „traditionalistische Gruppen stärkt, die das Tragen des Kopftuches aus religiöser Intoleranz, gesellschaftlicher Intoleranz oder Frauenfeindlichkeit propagieren und Druck auf muslimische Schülerinnen erzeugen“, sagte Sprecher Michael Gomolzig.

Das neue Gesetz soll im Oktober verabschiedet werden. Ursprünglich sollte es noch vor den Sommerferien in Kraft treten. Der Streit um das Kopftuch von Lehrerinnen an öffentlichen Schulen beschäftigt die Justiz im Südwesten seit 1997.