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Lehrer verzweifeln zunehmend an Schülern. Studenten sollen besser vorbereitet werden.

Stuttgart/Freiburg - Im Südwesten verzweifeln Lehrer zunehmend mit ihren Schülern. Ihre letzte Hoffnung ist deshalb immer häufiger der Schulpsychologe. Bis Ende 2012 soll es 200 solche Berater geben, 70 mehr als jetzt. Viel zu wenig, kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Die Lehrerin Marisa Müller (46) ist am Ende mit den Nerven. Dauernd schikanieren ihre Schüler sie. Am liebsten würde sie in Pension gehen. Ihre letzte Hoffnung: der Schulpsychologe. Vielleicht hat er ja Tipps, wie ich mich gegen die aufmüpfigen Jugendlichen wehren kann, hofft Müller. Bis zu ihrem Termin muss sie allerdings wochenlang ausharren.

"Es kommt immer wieder zu Engpässen und langen Wartezeiten, vor allem zum Halbjahr, wenn die Zeugnisse vergeben werden", sagt Benjamin Hennig. Der Psychologe im Landesverband Baden-Württemberg leitet die Beratungsstelle in Freiburg. Die Zahl der Lehrer, die Schulpsychologen um Rat bitten, steigt. Das stellen die Berater zumindest subjektiv fest, denn Statistiken erhebt keiner. "Der Lehrerberuf kann sehr belastend sein. Lehrer wenden sich schon immer an Schulpsychologen. Inzwischen achten sie aber mehr als früher auf ihre Kräfte und auf ihre Gesundheit."

Drei Millionen Euro für Lehrergesundheit

Der Südwesten hat 28 Beratungsstellen, in denen 130 Schulpsychologen arbeiten. Und die betreuen längst nicht mehr bloß Schüler, sondern alle, die zur Schule gehen. Für Lehrer entwickeln die Anlaufstellen spezielle Programme, um die Berufszufriedenheit zu steigern. "Oft klagen Lehrer über Schwierigkeiten im Umgang mit einzelnen Schülern oder der ganzen Klasse", sagt Hennig. Andere Pädagogen meldeten sich, weil sie immer wieder mit Kollegen oder Eltern anecken. In solchen Fällen empfiehlt Hennig Coachings, die zum Teil auch in Gruppen angeboten werden. Eine weitere Option ist die Beteiligung von Psychologen an Schulentwicklungsprogrammen. "Gelegentlich kommen auch Schulleiter zu uns, wenn Gesundheitsumfragen schlechte Werte ergeben oder mehrere Lehrer innerhalb kurzer Zeit aussteigen."

Als Konsequenz auf den Amoklauf von Winnenden und Wendlingen stellte die CDU-FDP-Landesregierung 16,3 Millionen Euro für die Gewaltprävention bereit. Damit sollen unter anderem bis Ende übernächsten Jahres 70 Schulpsychologen eingestellt werden. Bis September 2010 kamen schon 30 neue Stellen hinzu. Kultusministerin Marion Schick (CDU) sagt, dass das Land mit dann 200 Schulpsychologen eine Spitzenstellung in Deutschland einnehme.

200 Schulpsychologen auf 5000 Schulen sind zu wenig, sagt die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Sie fordert für jede Schule zudem einen Sozialarbeiter. Derzeit helfen einige Hundert an Schulen. "Nur jeder vierte Lehrer hält bis zum Ruhestand durch", sagt Matthias Schneider, der Geschäftsführer der GEW-Landesstelle. In den vergangenen zehn Jahren seien die Aufgaben vielfältiger geworden. Lehrer müssen zum Beispiel verstärkt die Kinder erziehen. "Dann ist der Leistungsdruck auf die Kinder gestiegen. Das führt zu Frust und zu Konflikten, besonders bei benachteiligten Schülern." Soziale Konflikte passierten an Hauptschulen zwar häufiger als anderswo, spielten aber auch an Gymnasien eine große Rolle, sagt Schneider. Er kritisiert, dass die Studenten nicht genug auf solche Probleme vorbereitet werden. Für Lehrer gebe es kaum Seminare. Auch Psychologe Hennig hält eine bessere Vorbereitung in der Ausbildung für einen geeigneten Ansatzpunkt.

Aus dem Kultusministerium heißt es, dass das Thema im Studium wie im Referendariat ausreichend verankert sei. Spezielle Seminare, etwa zum Mobbing, könne man den Hochschulen nicht vorschreiben, sagt Sprecherin Carina Olnhoff. Nun müsse sich zeigen, wie sich das Plus an Psychologen entwickle. Von Januar 2011 an investiert das Land außerdem drei Millionen Euro in Programme zur Lehrergesundheit.