Der aktuelle Geschäftsführer Klaus Andermann mit seinem Opa, dem Gründer Walter Knittel zum 50-Jahr-Jubiläum (linkes Foto), Mitte der 1980er Jahre. Foto: privat (3), Caroline Holowiecki

Noch vor dem Zweiten Weltkrieg haben die Knittels zwei Lebensmittelläden in Steinenbronn und Schönaich (Kreis Böblingen) eröffnet, die in ihren besten Zeiten fast zwei Dutzend Ableger hatten. Das ist vorbei, aber wie hält sich die Händlerfamilie heute über Wasser?

Steinenbronn - Wer bei Knittel in Steinenbronn einkauft, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier die Zeit ein bisschen stehen geblieben ist. Schnell, schnell gibt’s im Laden mit dem historischen Logo in Orange und Grün nicht. Wie in einem Labyrinth schlängelt sich der Kunde in schmalen Gängen vorbei an Tütensuppen, Obst, Weinflaschen und Kühlregalen. „Das ist wie bei Ikea, man wird durchgeführt“, sagt Wolfgang Knittel und lacht. Die Einrichtung des Ladens wirkt urig, die Kassen sind so orange wie eh und je. Wolfgang Knittel schaut sich um. Ohne Umschweife sagt er, dass sein Laden renoviert gehört. Er sagt aber auch: „Wir haben seit Jahren steigende Umsätze.“

Die Zeiten sind nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen

Seit 1935 gibt es den Frischmarkt Knittel im Ort, das sind 84 Jahre. Walter Knittel eröffnete ihn seinerzeit als Kolonialwarenladen, „wo man noch das Mehl abgewogen hat“, sagt Wolfgang Knittel (42), der Enkel und heutige Filialleiter in Steinenbronn. Die Geschäfte führt dessen Cousin Klaus Andermann. Was Wolfgang Knittel betont: „Wir gehören noch zu den wenigen freien Händlern in Baden-Württemberg.“ Das heißt: Trotz einer engen Kooperation mit einer Kette könne er Waren auch von anderen Unternehmen beziehen. Der Kunde profitiere davon. Täglich fahre der Cousin zum Großmarkt nach Stuttgart, um frisch einzukaufen. Außerdem beziehe man viel Regionales. Wolfgang Knittel spricht von Salaten von den Fildern, von Fleisch und Wurst aus Holzgerlingen und Backwaren aus Schönaich. Das wüssten vor allem alteingesessene Kunden zu schätzen.

Dennoch: Spurlos vorbeigegangen ist die Zeit an den Knittels nicht. Von zu Hochzeiten 18 Knittel-Ablegern im Umkreis gibt es heute nur noch das Stammhaus in Schönaich und eben die Filiale in Steinenbronn. Mit dem Siegeszug der größeren Supermärkte ab den 1960er Jahren hätten die Geschäfte nach und nach geschlossen.

Heute sind die Auswahl und die Konkurrenz freilich noch größer. Auch in Steinenbronn gibt es inzwischen einen Discounter. Wolfgang Knittel verzieht leicht das Gesicht. „Der wurde uns vor zehn Jahren vor die Nase gebaut. Da waren wir nicht begeistert“, sagt er.

Er weiß genau, wie er trotzdem bei den Kunden punkten kann

Hilmar Pfister, der Sprecher des Handelsverbandes Baden-Württemberg, kennt Probleme, wie sie die Knittels haben. „Dass die alteingesessenen Traditionsgeschäfte weniger werden, ist Fakt, über alle Branchen hinweg“, sagt er. Druck bekämen die Inhaber von vielen Seiten. Der florierende Onlinehandel spiele rein, außerdem könne der klassische Dorfladen nicht dieselbe Auswahl, dieselbe Erreichbarkeit und dieselbe bequeme Parksituation vorweisen wie der Markt oder das Shoppingcenter auf der grünen Wiese.

Und trotzdem steuern Knittels aufs 100-Jährige zu. Ihr Trumpf: Das Persönliche wird zur Marke. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal“, sagt Hilmar Pfister. Die Nostalgiekarte spielt Wolfgang Knittel bewusst. In der Obst- und Gemüseabteilung hängt an prominenter Stelle eine knallgelbe Plastiktüte aus den 1980ern. „Die gute Einkaufsquelle“ lautete schon damals der Werbespruch. Auf der Firmenhomepage kann man sich durch Fotos aus acht Jahrzehnten Firmengeschichte klicken: vom Eröffnungstag 1935, an dem das Logo im Fenster dasselbe war wie heute noch, über 1980er-Jahre-Obstkörbe bis zu Herbstfesten, die heute noch ausrichtet werden. Wolfgang Knittel lächelt. „Man muss über die guten Sachen reden, die man hat.“