Die Atomkonzerne müssen künftig eine neue Brennelementesteuer von jährlich 2,3 Milliarden Euro zahlen. Damit soll ein Teil der Zusatzgewinne der Konzerne bei längeren Atomlaufzeiten abgeschöpft werden. Foto: dpa

Müssen die Länder der Laufzeitverlängerung von AKWs zustimmen? Gute Frage!

Stuttgart/Berlin - Die Frage, ob die Laufzeitverlängerung der Zustimmung der Länderkammer bedarf, lässt sich nicht einfach mit Ja oder Nein beantworten. Was das zentrale Anliegen der schwarz-gelben Koalition schwierig macht - auch für Vorkämpfer Stefan Mappus (CDU).

Baden-Württemberg ist eine Atommacht. Zumindest, was die friedliche Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung angeht. Mit einem Anteil von 50 Prozent liegt der Südwesten bundesweit vorne, nur in Bayern (fünf) stehen noch mehr Meiler als hier (vier).

Noch in diesem Jahr sollte Neckarwestheim I abgeschaltet werden. Der Betreiber, die EnBW, und die Landesregierung wollen dies jedoch unbedingt hinauszögern - weshalb sich Ministerpräsident Mappus in seinem viermonatigen Wirken den Ruf des "aggressivsten atompolitischen Scharfmachers der Republik" (Grüne) erworben hat. Doch jetzt, so scheint es, wurde dem Vorkämpfer einer möglichst ausgiebigen Laufzeitverlängerung erst mal der Stecker gezogen. Beratungen im Kanzleramt mit Energieversorgern und den Regierungschefs der anderen Atom-Länder verliefen jüngst ergebnislos, so dass man sich von Berlin bis Stuttgart darauf verständigt hat, bis Ende Juli ein "Gesamt-Energiekonzept" vorlegen zu wollen. Darin soll auch über die Laufzeiten entschieden werden.

Die Gutachten sind widersprüchlich

Für Mappus ging es eigentlich immer nur um die Frage, ob die Kraftwerke zehn, zwölf oder 15 Jahre länger Strom liefern sollen. Dann kam die NRW-Wahl - und mit ihr das Ende schwarz-gelber Mehrheiten im Bundesrat. Das ist von Bedeutung, weil Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Änderung des Atomgesetzes für "tendenziell zustimmungspflichtig" hält. Dem Minister aus dem atomfreien Kohle-Land Nordrhein-Westfalen wird nachgesagt, einer Verlängerung des Atomzeitalters trotz seines Parteibuchs nicht eben das Wort zu reden. Die Gegner längerer Laufzeiten sind eher für eine Beteiligung der Länderkammer, Befürworter mehrheitlich dagegen.

Zwei von Röttgen in Auftrag gegebene Rechtsgutachten untermauern seine staatsrechtlich bislang ungeklärte These. Nach Ansicht von Hans-Jürgen Papier, dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, unterliegt eine Änderung des Atomrechts der Zustimmung der Länder. Ein zweites Gutachten des Verwaltungswissenschaftlers Joachim Wieland kommt zu einem ähnlichen Schluss: Demnach wäre selbst eine "moderate Verlängerung" zustimmungspflichtig. Andere Gutachten stützen wiederum die Atom-Länder Baden-Württemberg, Bayern und Hessen, die eine Laufzeitverlängerung gerne allein durch den Bundestag legitimiert sähen.

"Die Gutachten von Papier und Wieland sind widersprüchlich", heißt es in Stuttgart. Überhaupt: "Hat die Zustimmungspflicht beim Atomgesetz nicht schon früher bestanden?" Damals, 2000, als Rot-Grün den Atomausstieg durchboxte und Union und FDP klein beigaben. In der Landesregierung wundert man sich nun, warum sich die Parteien nicht schon im Vorfeld darauf verständigt haben. "Vor lauter Prüfen kommt man jetzt zu nichts anderem mehr", lästert einer.

Tatsächlich hat das FDP-geführte Bundesjustizministerium bereits einen Blick auf die vom Umweltministerium aufgetragenen Gutachten geworfen. Nach Meinung der Experten stellt selbst der besagte moderate atomare Aufschub ohne Zutun des Bundesrats ein hohes verfassungsrechtliches Risiko für die Regierungskoalition dar. SPD und Grüne drohen für den Fall bereits mit dem Bundesverfassungsgericht. Doch was heißt überhaupt moderat? Vier Jahre? Acht Jahre? Zwölf? Mappus denkt weiter in anderen Dimensionen. "15 wären schon gut", sagte sein Sprecher am Montag.