Die ehemalige Lateinschule um das Jahr 1900. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits zu einem „Vollgymnasium“ geworden. Foto: Stadtarchiv Ludwigsburg

Vor 300 Jahren öffnet die Lateinschule ihre Pforten. Sie wächst mit der Einwohnerzahl und ist in den ersten 100 Jahren eine Institution: Viele Schüler, die später von sich reden machen, erfahren dort die Grundlagen ihrer Bildung

Ludwigsburg - Wer hat hier nicht alles die Schulbank gedrückt: die Kerner-Brüder, Mörike, Vischer. Und natürlich Friedrich Schiller. Vor 300 Jahren begann im jungen Ludwigsburg die Geschichte einer Bildungsinstitution, die bis ins Heute reicht – mit dem Friedrich-Schiller-Gymnasium.

Im Jahre 1720, zwei Jahre nach der Stadterhebung, wendet sich der Stadtmagistrat mit der Bitte an Herzog Eberhard Ludwig, in der noch jungen, sich erst im Aufbau befindlichen Siedlung eine Lateinschule einzurichten. Die Begründung: Dem Magistrat liege es am Herzen, dass „das gemeine Wesen omni modo und bester Dingen in allhiesiger Stadt reguliert, förderist aber wegen schon ziemlichermaßen sich vermehrter Jugend eine lateinische Schule bestellt werde, damit die Jugend zu mehrerem Eifer und studiis alliciert [angehalten, wörtlich angelockt] werde“.

Herzog Eberhard Ludwig, beflügelt vom Gründungseifer, genehmigt den durchaus nicht selbstverständlichen Wunsch. Lateinschulen sind im 18. Jahrhundert elitäre Bildungseinrichtungen. Sie verstehen sich, anders als die „Volksschulen“, in denen jenseits des Lesens und Schreibens kaum mehr als eine kümmerliche Allgemeinbildung vermittelt wird, als echte Kaderschmieden.

Die bekanntesten Köpfe haben kurze Schulwege

Die im 18. Jahrhundert wechselhafte Geschichte der Stadt prägt zunächst auch die Geschichte der Lateinschule: Mit der Erhebung Ludwigsburgs zur Residenz 1724 wächst sie schnell zu einer dreiklassigen Anstalt. Hatten die Oberpräzeptoren bis dahin in Privaträumen unterrichtet, wird nun das erste Schulgebäude in der Seegasse (heute Kirchstraße 19) bezogen. Der kurzen Phase des prosperierenden Erblühens folgt ein tiefer Einschnitt: Am 31. Oktober 1733 stirbt Herzog Eberhard Ludwig. Die Residenz kehrt in die heutige Landeshauptstadt zurück, Ludwigsburg durchlebt ruhigere Jahre. Von 1746 bis 1767 logiert die Lateinschule (aus Platz- und Kostengründen zusammen mit der Volksschule) im Georgiischen Haus in der ehemaligen Metzgergasse (heute Eber-hardstraße 27). Der Glanz des höfischen Lebens kehrt zurück, als Herzog Carl Eugen Stadt und Schloss von 1764 bis 1775 neuerlich zur alleinigen Residenz erhebt.

Ludwigsburg wird jetzt zur Kulisse verschwenderischer Feste. Casanova nennt Ludwigsburg den glänzendsten Hof jener Jahre, die Ausgaben für all die Pracht treiben das Land an den Rand des Ruins. Mit der Einwohnerzahl wächst auch die Lateinschule zu einer fünfklassigen Anstalt. Neuerlich muss umgezogen werden – nun in jenes Haus, in welchem die klügsten Köpfe Ludwigsburgs ihre Schuljahre erleben: in die Obere Marktstraße 1. Die vier berühmten Ludwigsburger Dichter Eduard Mörike, Justinus Kerner, David Friedrich Strauß, Friedrich Theodor Vischer: alle erhalten sie hier die Grundlage ihrer umfangreichen klassischen Bildung. Und alle haben sie, deren Elternhäuser am und um den Marktplatz stehen, kurze Wege zur Schule. Der wohl berühmteste Zögling der Ludwigsburger Lateinschule ist aber – einige Jahre zuvor – Friedrich Schiller.

Er besucht die Lateinschule in der Oberen Marktstraße von Januar 1767 bis Januar 1773. Sieben Jahre ist er alt, als er in Ludwigsburg ankommt, und sieben Jahre seiner Kindheit wird er in der Stadt verbringen. Seine Schulweg führt ihn von der Hinteren Schlossgasse 26 (heute Mömpelgardstraße) in die Stadt. Nur wenig später bewohnt die Familie Schiller das Haus Nr. 26 in der Stuttgarter Straße.

Der Herzog macht den Berufsweg Schillers zunichte

Schiller ist ein guter Schüler, insbesondere: ein guter Lateinschüler. Seine Lateinlehrer sind anfangs Abraham Elsässer und der wegen seiner rüden Methoden gefürchtete Philipp Christian Honold. Zur Lehrer-Figur, die ihn besonders prägt, wird der Oberpräzeptor Johann Friedrich Jahn (1728 bis 1800). Jahn, ein offensichtlich überaus begabter Pädagoge mit intellektuellem Weitblick, vermittelt über die Sprachkenntnisse hinaus Kulturgeschichtliches: Vergils Äneis, die Schiller durch Jahn kennenlernt, wird der Dichter zeitlebens schätzen, ebenso die Oden des Horaz, die Gesänge Catulls, die Erzählungen Ovids. Durch Jahn kommt der in späten Jahren genialische Feuerkopf in Berührung mit der römischen und griechischen Mythologie, erliest und erschließt sich neue Welten.

Vier Mal absolviert Schiller das Landesexamen (drei Mal mit Auszeichnung), das ihn für die Aufnahme ins theologische Seminar und ins Tübinger Stift vorbereitet, da macht der Landesfürst den von den Eltern vorgezeichneten Berufsweg zunichte. Herzog Carl Eugen will den Hochbegabten unter den Schülern seiner neu begründeten Hohen Carlsschule wissen. Diesen Wunsch vermag der Vater Schillers seinem Fürsten nicht abzuschlagen. Am 16. Januar 1773 betritt der 13-jährige Friedrich Schiller die neu errichtete württembergische Kaderschmiede auf der Solitude. Von nun an ist er Élève, ist Insasse einer Bildungskaserne, die er hassen wird. Die Kindheit in Ludwigsburg ist vorüber.

Aus der Lateinschule wird ein „Vollgymnasium“

Die Lateinschule besteht, nun als kombinierte Latein-Realschule, bis in das Jahr 1827. Im April 1827 werden die Schulformen getrennt, eine eigene Realschule eingerichtet, die Lateinschule kehrt zu ihrer ursprünglichen Bestimmung zurück und wird zum fünfklassigen Lyceum. 70 Jahre später, im Jahre 1897, wird das inzwischen neunklassige Lyceum zum „Vollgymnasium“. Und 1937 erhält die alte Ludwigsburger Lateinschule, in Erinnerung an ihren berühmtesten Zögling, den Namen Friedrich-Schiller-Oberschule.