Wie mit einem Suchtkranken Partner umgehen? Zu viel Verständnis ist selten gut, meint Oliviero Lombardi. (Symbolbild) Foto: stock.adobe.com/zinkevych

Mit einem suchtkranken Menschen zusammenzuleben, ist kein Zuckerschlecken. Warum man einen solchen Partner auch mal hart auflaufen lassen sollte, erklärt Paartherapeut Oliviero Lombardi.

Stuttgart - Psychologisch gesehen sind Süchte ähnlich angelegt – ob Spiel-, Drogen-, Kauf-, Alkoholsucht oder die Sucht nach Schokolade - der Mechanismus ist derselbe. Bekommt der Süchtige seine Droge nicht mehr, verlagert er sich auf etwas anderes. Mit einem süchtigen Menschen zusammenzuleben, bedeutet für den Partner darum eine hohe Belastung und Stress. Es kommt häufig zu Konfliktsituationen, der Suchtkranke kann sich kaum ohne Therapie von seiner Sucht befreien – falls er überhaupt einsieht, dass er krank ist. Für eine Partnerschaft kann das sehr belastend sein, denn die Beziehung ist eine ständige Gratwanderung. Aber wie geht man nun mit einem Süchtigen um?

In erster Linie darf der Partner den Süchtigen in seinem System nicht unterstützen. Dazu gehört auch eine falsche Rücksichtnahme. Etwa, wenn der Partner auf Betteln des anderen eingeht, ihm Alkohol oder Süßigkeiten holt, oder ihn überfordert. Das hat auch mit falsch verstandener Liebe zu tun. Man sollte den süchtigen Partner daher auflaufen lassen und hart sein, denn erst wenn der Leidensdruck hoch genug ist, wird dieser reagieren und einsehen, dass etwas falsch läuft. Das System muss kollabieren, und dieser Mechanismus muss eben vom Süchtigen ausgehen.

Ungesunde Helferrolle

Man sollte bei der Unterstützung daher sehr vorsichtig sein: Manche Partner von Suchtkranken fallen in eine Art Helferrolle, die nicht gesund ist. Nimmt man den Partner zu viele Aufgaben ab, etwa Terminvereinbarungen mit Therapeuten, Behördengänge oder Alltägliches, hat das zur Folge, dass der Süchtige in seiner Abhängigkeit weiter gestärkt wird. Der Suchtpatient wird somit in eine Kinderrolle gedrängt, die wenig bis gar nicht motivierend für die Heilung ist. Ein berühmter Satz lautet: „Bitte nicht helfen, es ist so schon schwer genug.“ Soll das Suchtproblem angegangen werden, muss die Initiative vom Süchtigen selbst ausgehen - der Problemeigner ist hauptverantwortlich, er muss sich ändern.

Durch eine Sucht kann das Vertrauen in den Partner massiv gestört sein. Doch wie kann man das Vertrauen wiedergewinnen? Diese Frage stellen sich viele meiner Patienten. Blindes Vertrauen ist meiner Meinung nach naiv, denn für berechtigtes Vertrauen muss eine vernünftige Basis geschaffen werden. Der Partner muss sich aktiv verändern und verstehen, woher seine Sucht kommt und wie sein altes Verhalten nicht mehr hervortritt. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass Kontrolle nichts mit Vertrauen zu tun hat. Man kann den Partner zwingen, sich Tests zu unterziehen, den Kontostand offenzulegen oder sich die Nachrichten auf dem Smartphone zeigen lassen, doch diese Kontrolle wird häufig mit Vertrauen verwechselt. Ein Anschub ist total in Ordnung, aber eigene Schritte muss der Partner selbst machen.

Da ich als Psychologe auch MPU-Teilnehmer betreue, frage ich Süchtige bei diesen Tests, ob sie Kontakt zu Suchtmitteln hatten. Wenn sie diese Frage mit ja beantworten, ist alles gut, denn dann können sie den Umgang mit den Substanzen verkraften. Es lässt sich nicht vermeiden, dass man mit Alkohol oder Drogen in Kontakt kommt - es zählt nur, dass man sie ablehnen kann. Mit einem Süchtigen sollte man auch nicht auf Partys gehen - erst, wenn die Therapie gegriffen hat sollte, man den Partner wieder mit Alkohol oder Drogen konfrontieren, sonst würde man ihn überfordern.

Irgendwann hilft nur noch Polizei

Ist die Sucht dramatisch, etwa, wenn der Partner mit Suizid droht oder andere gefährdet, sollte man die Polizei rufen. Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung. Wenn Hilfe verweigert wird, kann man sie durch Zwang umgesetzt werden, vor allem, wenn eine Gefährdung durch den Suchtkranken ausgeht.

Als Partner eines Süchtigen sollte man sich auch fragen, warum man mit diesem Menschen überhaupt eine Beziehung führt. Denn die Persönlichkeit eines Partners passt nicht zufällig zum eigenen Profil. Als Vertreter der Schematherapie denke ich, bin ich davon überzeugt, dass Menschen Partner suchen, dessen Macken zur eigenen Persönlichkeitsstruktur passen. Diese Konstellation kann zum Beispiel bedeuten, dass sich ein Mensch mit Helfersyndrom also jemanden sucht, dem er helfen kann. Der Partner sollte sich also immer fragen, was die Sucht mit ihm zu tun hat und gegebenenfalls auch eine Therapie machen.

Eine Liste der Suchtberatungsstellen in Deutschland bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: www.bzga.de

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