Oftmals verspüren diese Menschen ein erhebendes Gefühl, wenn sie sich mit anderen verbünden um gegen den Rest der Welt zu kämpfen. Foto: unsplash/Emma Frances Logan

Bill Gates will uns alle impfen, Corona ist nur erfunden und hinter allem stecken dunkle Mächte. Wenn der Partner an krude Theorien glaubt, läuft meistens so einiges falsch. Paartherapeut Oliviero Lombardi erklärt, wie man damit umgehen kann.

Stuttgart - Verschwörungstheorien haben etwas mit einer Persönlichkeitsstörung zu tun, im schlimmeren Fall sogar mit Psychosen und Wahn. Glaubt der Partner an krude Theorien, wird das an einer anderen Stelle in der Partnerschaft schon einmal aufgetreten sein, zum Beispiel durch eine Verunsicherung in irgendeiner Form, einer Radikalisierung und einer Hinwendung zu fatalistischen Persönlichkeiten, wie Führern oder dem Wunsch nach einem starken Staat. Das kann man auch bei Pegida- und AfD-Anhängern feststellen, denn hier laufen einige psychische Faktoren zusammen, die bei der Radikalisierung eine Rolle spielen.

„Für oder gegen mich“

Wenn ein Partner mit Verschwörungstheorien beginnt, ist es ein Warnsignal, dass grundsätzlich ein Stadium erreicht ist, wo mit dem Partner etwas nicht stimmt. Man darf es nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn dahinter steckt eine gewisse Psychologik, die nicht ganz ohne ist. Solange sich das Verhalten im „Hobby-Bereich“ bewegt, kann man das vielleicht noch als harmlos abtun, wobei ich das schon als Anlass sehen würde, genauer hinzugucken. Wenn man als Partner etwas dagegen tun möchte, ist das heikel, da es auch Beziehungen gibt, die an Verschwörungstheorien zerbrechen. Denn in dem Augenblick, in dem man den Partner zu direkt kritisiert und den Verschwörungstheoretiker zu sehr in Frage stellt, fühlt er sich angegriffen. Im nächsten Schritt vermutet er den Partner dann unter einer Decke mit den Verschwörern. Als Nichtanhänger einer Verschwörungstheorie gerät man dann schnell unter Generalverdacht – und die Beziehung wird zu einem „für oder gegen mich“.

Vorsichtig Kritik üben

Das Thema sensibel anzusprechen könnte helfen, indem man dem Partner klarmacht, dass man nicht an seine Theorien glaubt und eine eigene Meinung hat. Gegebenenfalls kann man empfehlen, sich professionelle Hilfe zu suchen. Wobei Verschwörungstheoretiker auch empfindlich darauf reagieren, wenn man ihnen eine Macke unterstellt. Man sollte möglichst wertschätzend und liebevoll vorgehen und dann doch versuchen, das Denken des Partners in eine andere Richtung anzustoßen. Denn dahinter steckt eigentlich ein beginnendes oder fortgeschrittenes Störungsbild.

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Verschwörungstheoretiker reagieren sehr empfindlich, wenn man eine andere Sichtweise hat. Macht man den Partner dann sogar lächerlich, fühlt er sich doppelt vor den Kopf gestoßen. Man sollte eher kein einengendes Feedback geben, das es dem Partner offenlässt, es anzunehmen. Das Feedback sollte man als seine eigene subjektive Meinung darstellen – und nicht als allgemein gültige Weisheit. Kritik sollte man vorsichtig üben und auch fragen, ob der Partner die Meinung eigentlich hören will und warum es für ihn so schwierig ist, eine andere Sichtweise zu akzeptieren.

Schlussstrich ziehen?

Oft geht dieser Prozess mit anderen Faktoren einher: Probleme bei der Arbeit, Arbeitslosigkeit, Eheprobleme, ein Gefühl des Ausgegrenztseins. In den meisten Fällen verspüren diese Menschen ein erhebendes Gefühl, wenn sie sich mit anderen verbünden um gegen den Rest der Welt zu kämpfen. Ist die Radikalisierung fortgeschritten, sollte man einen Schlussstrich ziehen und dem Partner sagen, dass man es nicht mehr mitmacht und sich trennen will. Wenn der Leidensdruck für den Verschwörungstheoretiker dann hoch genug ist, geht er vielleicht doch zum Psychologen und lässt sich helfen. Man sollte sich aber auch die Gesamtsituation ansehen und genau hingucken, denn meistens stimmt so einiges nicht: Wo kommt die Unzufriedenheit eigentlich her?

Lieber beim Abstrakten bleiben

Auf keinen Fall sollte man sich inhaltlich auf eine Verschwörungstheorie-Diskussion einlassen und lieber beim Abstrakten bleiben. Denn in dem Moment, in dem man sich inhaltlich darauf einlässt, hat man sich zum Tanz auffordern lassen und bewegt sich im gestörten Konstrukt des Verschwörungstheoretikers, wo man nur verlieren kann. Das Heilmittel ist eher Liebe und Zuwendung: „Du darfst denken, was du willst, ich liebe dich und halte zu dir, auch wenn ich nicht deiner Meinung bin.“ Man sollte also nicht die Gesamtperson in Frage stellen, sondern nur die Theorien.“

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