Volle Fahrt voraus: Skilanglauf-Senkrechtstarterin Denise Hermann Foto:  

Im Langlauf-Sprint ist sie bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi die große Medaillen-Hoffnung: Denise Herrmann.

Sotschi - Von Marit Björgen existieren Bilder, die zeigen die norwegische Langläuferin in einem ärmellosen Shirt. Und wer jemals diese Bilder und die dazugehörige Armmuskulatur der Olympiasiegerin gesehen hat, der weiß: Mit dieser Dame sollte man sich nicht unbedingt anlegen. Denise Herrmann tut es dennoch.

Man könnte nun sagen: Ihr bleibt ja auch überhaupt nichts anderes übrig. Ein Verzicht käme schließlich einer Aufgabe gleich, viel Verständnis könnte die 25-Jährige aus Oberwiesenthal da wohl nicht erwarten. Doch wenn Herrmann an diesem Dienstag in Sotschi im olympischen Sprint unter anderem gegen Marit Björgen in die Loipe geht, ist das weit mehr als die Erfüllung einer Pflichtaufgabe. Sie sagt: „Im Sprint sind wir in der Lage, auch Marit Björgen zu schlagen.“ Eine kühne These? Mitnichten!

Den Beweis nämlich hat Denise Herrmann bereits erbracht. Acht Sprintrennen sind in der Weltcup-Saison bislang ausgetragen worden, achtmal erreichte sie das Finale, sechsmal stand sie auf dem Podest, dabei landete sie auch vor der Langlauf-Dominatorin aus Norwegen – das hatte Folgen.

„Früher“, sagt Denise Herrmann, „habe ich Athletinnen wie Marit Björgen eher schüchtern aus der Distanz angeschaut. Aber jetzt grüßen und gratulieren sie und machen sogar ein bisschen Small Talk.“ Denn jetzt gehört die Deutsche dazu – zum Kreis der Weltklasse-Langläuferinnen. „Sie hat sich ein unglaubliches Stehvermögen antrainiert“, lobt Bundestrainer Frank Ullrich, „jetzt hat sie auch den Mut, offensiv zu laufen.“ In Sotschi will sie das erneut beweisen. „Sie ist in der Situation, aus der heraus sie angreifen kann“, sagt Ullrich.

Also wird sie das wohl tun – weil es ja ohnehin nichts gibt, was dagegen spricht. „Denise kann Rennen von vorne laufen, sie kann nach einem schlechteren Start aber auch um Positionen kämpfen, und sie hat eine gute Renneinteilung.“ Sagt Stefan Dotzler. Der Bayer ist Trainer der deutschen Langlauf-Sprinter – und derzeit in einer recht komfortablen Situation. Weil nicht nur Denise Herrmann im Weltcup vorne mitmischt, sondern auch Josef Wenzl, darf er sagen: „Der Sprint ist derzeit unsere Paradedisziplin. Da sind wir mannschaftlich stark.“ Denise Herrmann ragt dabei aber noch heraus. Sie sei, sagt Dotzler, auf einer ganz anderen Ebene. Er meint eine höhere.

Auch die Langläuferin selbst hat registriert, welche Entwicklung sie genommen hat, seit sie 2011 zum Leben und Trainieren nach Ruhpolding gekommen ist. „Ich bin viel lockerer und routinierter geworden“, sagt sie, weil sie weiß, dass sie auf alle Situationen in der Loipe vorbereitet ist: „Ich kann immer kontern.“ Auch die Attacken der Besten der Welt. Vor allem für die olympischen Teamwettbewerbe macht sie das optimistisch, aber auch im Einzelsprint an diesem Dienstag wird die Sportsoldatin angreifen. „Ich versuche einfach, cool zu bleiben“, sagt sie, „denn wenn man es besonders gut machen will, dann geht es meistens in die Hose.“ Und überhaupt: Gerade im Sprint mache es ja keinen Sinn, sich vorab allzu viele Gedanken zu machen. Denn: „Da geht es so eng zu, da kann immer alles passieren.“

Im Idealfall passiert eine Medaille.