Ein Landwirt pflügt einen Acker. Landwirtschaftsbetriebe in Deutschland sollen nach 2020 deutlich weniger Geld aus dem EU-Haushalt bekommen als heute. Foto: dpa

Mehr Geld für Nachwuchsbauern, Naturschutz, Wettbewerbsfähigkeit: Brüssel präsentiert eine Rundum-Reform der EU-Agrarförderung. Für Deutschlands Bauern dürfte am Ende weniger Geld herauskommen. Doch die Vorschläge stoßen nicht nur deshalb auf Widerstand.

Brüssel - Deutsche Landwirtschaftsbetriebe sollen im kommenden Jahrzehnt erheblich weniger Geld aus dem EU-Haushalt bekommen als bisher. Die EU-Kommission legte am Freitag Pläne vor, wonach für den Zeitraum von 2021 bis 2027 rund 41 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Im derzeitigen EU-Finanzrahmen sind rund 44,1 Milliarden Euro verfügbar. Die Verteilung der Gelder soll zudem an eine ganze Reihe neuer Bedingungen geknüpft werden. Doch die EU-Staaten und das Europaparlament müssen zustimmen.

Die 1962 ins Leben gerufene gemeinsame EU-Agrarpolitik soll vor allem zwei zentrale Ziele erfüllen: sicherstellen, dass Landwirte ein „angemessenes“ Einkommen erzielen, und eine sichere Nahrungsmittelversorgung in Europa gewährleisten. Im Laufe der Jahre kamen zudem unter anderem Klima- und Umweltvorgaben hinzu.

Ein Großteil des Geldes geht im Moment als Direktzahlung an die Bauern. Ein kleinerer Teil ist außerdem für die Entwicklung des ländlichen Raums abrufbar. Die Direktzahlungen richten sich in erster Linie nach der Größe der bewirtschafteten Fläche. Hierzulande erhält jeder Agrarbetrieb im Schnitt etwa 280 Euro pro Hektar an Direktzuschüssen. Ein Teil der Gelder ist außerdem an Umweltauflagen geknüpft.

EU-Staaten sollen mehr Freiheiten bekommen

In Zukunft sollen die EU-Staaten nach dem Willen der EU-Kommission mehr Freiheiten bekommen, wie sie eine Reihe von vorbestimmten Zielen erreichen wollen - etwa die Erhaltung der Natur, Klimaschutz, Wettbewerbsfähigkeit und die Wahrung der Lebensmittelqualität. Die Staaten sollen dazu jeweils nationale Pläne erstellen, die von der EU-Kommission genehmigt werden müssten. Insgesamt sind für 2021 - 2027 nun 365 Milliarden Euro an EU-Agrargeldern vorgesehen. Bislang betrug ihr Anteil im gesamten EU-Haushalt 40 Prozent, nun soll er auf gut ein Drittel schrumpfen. Ein Grund ist, dass nach dem erwarteten EU-Austritt Großbritanniens Milliardenbeiträge wegfallen.

Für die Agrar-Direktzahlungen ist außerdem eine Obergrenze geplant. Ab 60 000 Euro pro Betrieb sollen die Gelder reduziert und bei 100 000 Euro vollständig gekappt werden. Allerdings sollten dabei Arbeits- und Gehaltskosten - etwa bei Höfen mit sehr vielen Angestellten - in Betracht gezogen werden. Ein Großbetrieb, der derzeit rund 500 000 Euro an Unterstützung erhalte, würde in Zukunft etwa 230 000 Euro bekommen, rechnete EU-Agrarkommissar Phil Hogan vor.

Frankreich bliebe größter Bezieher von Agrarhilfen

Die Vorschläge sind Teil der EU-Finanzplanung für das kommende Jahrzehnt. Der Agrarhaushalt wäre demnach weiterhin der größte Posten im EU-Budget. Laut Kommission soll sein Anteil etwa ein Drittel betragen. In den kommenden Monaten werden darüber die EU-Staaten beraten. Dann muss auch noch das Europaparlament zustimmen.

Nach den Plänen der EU-Kommission würde Frankreich der größte Bezieher von Agrarhilfen bleiben. 62,3 Milliarden Euro sollten demnach dorthin fließen.

Im Einzelnen ist außerdem vorgesehen, dass Nachwuchs-Landwirte europaweit stärker unterstützt werden. Mindestens zwei Prozent der Direktzahlungen in jedem Land sollen beiseite gelegt werden, um Bauern unter 40 Jahren unter anderem Starthilfen zu geben.

Der Vorschlag traf auf sehr gemischte Reaktionen. Kritik gab es vor allem von Grünen und Naturschützern. Die Umweltschutzorganisation WWF bezeichnete die Pläne als „Täuschung“. „Klima- und Umweltschutzziele dienen als Rechtfertigung für hohe Agrarzahlungen, jedoch wird aus den vorgeschlagenen Förderprogrammen nicht klar, wie dieser Anspruch erfüllt werden soll“, sagte Jörg-Andreas Krüger vom WWF Deutschland.

Ministerin Klöckner sieht „Licht und Schatten“

„Dieser Entwurf setzt weiterhin auf die Bedienung des Weltmarktes mit billigen Rohstoffen“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling. „Er eröffnet ein Tableau der Beliebigkeiten für die Mitgliedstaaten in Sachen Ressourcen- und Klimaschutz.“

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sah „Licht und Schatten“. Sie begrüße das Ziel, Leistungen für den Umwelt- und Klimaschutz stärker zu fördern. Neue Anforderungen müssten aber praxistauglich für die Bauern sein, die von Bürokratie entlastet werden sollten. Eine verpflichtende Obergrenze der Zahlungen bei 100 000 Euro lehnte Klöckner ab. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir hier ohne Änderungen mitgehen können.“ Eine solche Kappung sollte den EU-Ländern freigestellt sein.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze kritisierte, die Kommissionsvorschläge reichten nicht, um Landwirten Anreize für „umweltgerechtes Wirtschaften“ zu liefern. Dass Mitgliedsstaaten selbst über die Maßnahmen entscheiden könnten, sei ein „Blankoscheck“ für Umweltdumping. Auch der Naturschutz komme zu kurz. „Bevor wir darüber nachdenken, diese Defizite national auszugleichen, müssen wir auf EU-Ebene umsteuern“, sagte Schulze.

Bauernverband äußert sich kritisch

Auch der Bauernverband reagierte besorgt. Der Vorschlag der Kommission gehe „in wichtigen Punkten in eine falsche Richtung“, kritisierte Bauernpräsident Joachim Rukwied. „Die Umweltauflagen für die Direktzahlungen sollen deutlich erhöht werden, zugleich wird das Agrarbudget gekürzt.“ Wenn Mitgliedstaaten mehr Freiräume für ihre Agrarförderung bekommen, könne dies neue Verzerrungen hervorrufen.

„Entscheidend ist, dass ein Einstieg in den Ausstieg aus der Gießkannenförderung über die Fläche eingeläutet wird“ sagte der landwirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Spiering. Gero Hocker aus der FDP-Bundestagsfraktion sagte: „Die Starthilfe für dynamische Junglandwirten ist ein begrüßenswerter Ansatz. Allerdings mindert die stärkere Ausrichtung auf Umwelt- und Klimaziele die Attraktivität des Berufsstandes.“