Bernd Wölke ist 18 Jahre alt und kommt aus Chemnitz. „Ich bin höchstens mal durchgefahren durch Baden-Württemberg.“ Foto: Christoph Link

Bald wird in Sachsen gewählt. Über das Bundesland gibt es viele Vorurteile. Aber was denken junge Sachsen eigentlich über Baden-Württemberg? Wir haben uns in Chemnitz und Dresden umgehört.

Chemnitz/Stuttgart - Am 1. September ist Landtagswahl in Sachsen und Brandenburg. Vor allem über Sachsen gibt es reichlich Vorurteile. Doch wie sieht es eigentlich umgekehrt aus? Wir haben junge Menschen in Chemnitz und Dresden gefragt, was sie über Baden-Württemberg denken.

Ebenso kommen junge Leute aus dem Südwesten zu Wort. Gehören Vorurteile in der Generation, die den Mauerfall höchstens im Windelalter noch miterlebt hat, allmählich der Vergangenheit an?

Tübingens „komischer“ Grünen-Bürgermeister

„Ich habe ein gutes Gefühl, wenn ich an Baden-Württemberg denke. Politisch gesehen ist es eines der besseren Bundesländer, auch wenn die Grünen dort wesentlich konservativer aufgestellt sind als unsere Grünen in Sachsen. Und obwohl es dort einen komischen Grünen-Bürgermeister in Tübingen gibt. Vom touristischen Aspekt her finde ich den Schwarzwald und Freiburg sehr schön, Stuttgart etwas weniger. Von der Wirtschaftskraft ist das Land sicher nicht mit Sachsen vergleichbar.“

Erik Neubert, 23, aus Chemnitz, arbeitet im Bundesfreiwilligendienst in einer Musikschule und ist Mitglied beim „Bündnis Chemnitz nazifrei“

Die reiche Stadt Sindelfingen

„Besonders viel weiß ich nicht über Baden-Württemberg. Nur, dass dort die Grünen regieren, aber eine relativ konservative Politik machen. Jeder weiß, dass die Leute in Baden-Württemberg gutes Geld haben. Sindelfingen galt doch mal als die reichste Stadt. Es ist ein Autoland, vergleichbar mit Bayern. Ich bin höchstens mal durchgefahren durch Baden-Württemberg.“

Bernd Wölke, 18 Jahre, Schüler aus Chemnitz

Die Schwaben versteht man schwer

„Ehrlich gesagt, habe ich mir über Baden-Württemberg noch nie so viele Gedanken gemacht. Ich bin auch noch nie dagewesen. Aber eins kann ich Ihnen doch sagen: Auf Auslandsreisen habe ich schon öfter den Werbeslogan von Baden-Württemberg gesehen, sogar einmal in Vietnam. Nett hier – aber waren Sie schon mal in Baden-Württemberg, heißt das Motto. Das finde ich super und witzig. Über den schwäbischen Dialekt kann ich mich nicht beschweren, man versteht ihn schwer, aber das geht anderen mit unserem Sächsisch bestimmt nicht besser.“

Melissa Butt, 22 Jahre, Studentin aus Dresden

Kretschmann zu konservativ

„Die haben in Baden-Württemberg einen grünen Ministerpräsidenten, der leider zu konservativ ist. Aber es kommt Positives aus dem Land. Im allgemeinen sind die Baden-Württemberger ein lockeres und offenes Völkchen. Ich kenne einen Schwaben, der ist hierher nach Chemnitz gezogen und viel zu aufgeschlossen für diese Stadt. Ich denke, die Schwaben gehen an die verschiedensten Dinge ruhiger heran, sie mögen keine Schnellschüsse.“

Daniel Tändler, 36 Jahre, Fachinformatikerin aus Chemnitz

Junge Baden-Württemberger: Noch nie in Sachsen gewesen

„Ich war leider noch nie in Sachsen. Ich habe gehört, dass Dresden sehr schön sein soll. Es gibt in Sachsen viel mehr AfD-Sympathisanten, als mir lieb ist. Man hört viel über Rechtsextremismus, aber es gibt sicher auch viele Leute dort, die sich dagegen engagieren. Ich habe die Vorstellung im Kopf, dass viele junge Leute aus Sachsen weggehen müssen, weil es dort nicht genug Jobs gibt.“

Lisa Vieth, 30 Jahre, Studentin aus Stuttgart

In Sachsen wohnen ist billiger

„Ich war noch nie dort und habe wenig Bezugspunkte. Aber der Freund meiner besten Freundin kommt aus Sachsen. Sie erzählt von den Besuchen dort viel Positives, das überrascht mich schon fast, so furchtbar das klingt. Ich will das Bundesland nicht abstempeln, aber in meiner Wahrnehmung steht es in keinem guten Licht da. Oft sind es ja so eingefärbte Landkarten aus der Zeitung, die einem im Kopf bleiben. Da verbinde ich Sachsen mit hoher Zustimmung zur AfD, mit vergleichsweise wenig Wirtschaftskraft und Abwanderung in die Städte. Immerhin habe ich gehört, dass Baugrund dort günstiger ist als hier. Meine Freundin und ihr Freund überlegen, eines Tages nach Sachsen zu ziehen. Dann würden sie davon wohl profitieren.“

Leonie Rothacker, 23 Jahre, Studentin aus Sindelfingen

Persönliche Begegnungen gegen Vorurteile

„Meine allerersten Assoziationen, wenn ich ‚Sachsen’ höre, sind DDR und Geschichte. Im Laufe der Zeit haben sich bei mir Vorurteile aufgebaut. Aber dann habe ich Menschen aus Sachsen persönlich kennen gelernt und die Vorurteile wurden zerstört. Zum Beispiel kommt ein Studienkollege von mir aus Sachsen, wir kennen uns seit dem ersten Semester, teilen Hobbies, Interessen, politische Ansichten, es gibt kaum einen Unterschied zwischen uns. Es ist ja allgemein ein Phänomen, dass man über die Dinge, die man nicht kennt, oft eher erst einmal etwas Schlechtes denkt. Ich glaube, so ähnlich ist es zum Beispiel auch bei vielen Menschen, die Angst vor Flüchtlingen haben. Ich hoffe, dass sich mit der jungen Generation Vorurteile abbauen. Ich bin ja auch schon nach dem Mauerfall geboren. Aber ich denke, unter dem Strich braucht das einfach Zeit.“

Maximilian Klumpp, 25 Jahre, Mathe-Doktorand aus Stuttgart

Vor Fremdenfeindlichkeit gewarnt

„Ich war schon mal in Dresden, das ist eine superschöne Stadt. Meine Familie hatte mich vor dem Trip vor Ausländerfeindlichkeit gewarnt, aber ich habe nichts davon mitbekommen und keinerlei negative Erfahrungen gemacht. Man weiß natürlich nicht, wie es wirklich in einem Bundesland ist, wenn man nicht dort lebt. Als jemand, der in Westdeutschland aufgewachsen ist, würde ich aber allein wegen der Jobsituation nicht nach Ostdeutschland ziehen. Ich glaube, dass es hier in der Region von der Branche und den Unternehmen her mehr Jobs gibt, die für mich attraktiv sind.“

Natali Nicolic, 30, Produktmanagerin in Stuttgart