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Ein Minarettverbot wie in der Schweiz, da ist sich der Landtag einig, wäre in Baden-Württemberg weder rechtens noch erwünscht.

Stuttgart - Ein Minarettverbot wie in der Schweiz, da ist sich der Landtag einig, wäre in Baden-Württemberg weder rechtens noch erwünscht. Die Ängste vor dem Islam spüren die Abgeordneten aber auch hierzulande. Ihr Rezept: Bildung und Dialog.

Wie es der Zufall so will: Auf der Zuhörertribüne saß am Mittwoch eine Delegation aus dem Kanton Schaffhausen. Die eidgenössischen Gäste erfuhren so aus erster Hand, was die Nachbarn vom Ergebnis der Volksabstimmung zum Minarettverbot halten: nichts. Doch sie erfuhren auch, dass hier beileibe nicht alles zum Besten steht mit der Integration. Und sie erlebten, wie der Landtag mit diesem Konflikt umgeht: unaufgeregt und sachlich.

Wie sich die Zeiten ändern! Noch vor wenigen Jahren hätte das von der FDP gewählte Debattenthema "Kulturelle Vielfalt, universelle Werte. Wege einer rationalen Integrationspolitik" vermutlich üble Polemik geerntet. Bis 2001 saßen schließlich die rechtsextremen Republikaner im Landesparlament - und deren Wahlerfolge speisten sich aus ähnlichen Ängsten, wie sie jetzt in der Schweiz deutlich wurden.

Doch seither hat sich auf diesem Politikfeld einiges getan. Nichts zeigte das am Mittwoch deutlicher als der Satz des CDU-Abgeordneten Christoph Palm: "Deutschland ist ein Einwanderungsland." Zwischen 1991 und 2001 habe die Bundesrepublik mehr Menschen aufgenommen als Australien und Kanada zusammen. Die Zuwanderung habe das Land bereichert, sagte Palm, der auch OB von Fellbach ist.

Der CDU-Mann räumte aber auch Versäumnisse ein - und sein SPD-Kollege Nikolaos Sakellariou arbeitete diese konkret in der Bildungspolitik heraus. "Der Anteil von ausländischen Kindern in Sonderschulen beträgt 25 Prozent, das ist die höchste Quote in ganze Deutschland", sagte Sakellariou, dessen Eltern als Gastarbeiter aus Griechenland nach Deutschland kamen.

Nur 3,7 Prozent der ausländischen Schüler schafften das Abitur, und auch sonst blieben die Migranten weit hinter den Chancen ihrer deutschen Altersgenossen zurück. "Das darf nicht sein", sagte der SPD-Abgeordnete, der über den zweiten Bildungsweg eine Karriere als Rechtsanwalt eingeschlagen hat.

Werner Wölfle von den Grünen lobte zwar Palms Stil ("Sie haben den Ton ausgezeichnet getroffen"), war aber weit davon entfernt, die Landesregierung für ihre Integrationspolitik zu loben. So forderte er nicht nur ein Abschiebeverbot für Roma aus dem Kosovo, sondern auch eine dauerhafte Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge. Die Landesregierung müsse sich auch fragen, ob sie die aufgeklärten Muslims genügend fördere und hinreichend Aufklärungsarbeit leiste, um Ängste vor dem Islam zu zerstreuen.

Integration darf seiner Meinung nach nicht heißen, dass die Migranten ihre Kultur über Bord werfen. Das gelte auch für die Minarette, an die man keinen deutschen Maßstab anlegen sollte: "Ein Minarett muss nicht einem bayrischen Zwiebeltürmchen ähneln." Selbst die Position des neuen SPD-Landesvorsitzenden Nils Schmid, der in einem Interview den "neoosmanischen Einheitsstil" kritisiert hatte, hält der Grünen-Abgeordnete für anmaßend. "Wir wissen nicht, was der rechte Baustil ist."

Doch so weit wollen weder CDU noch Liberale gehen. "Integration ist eine Bring- und eine Holschuld", sagt Palm und riet den Muslimen zu mehr Offenheit: "Wenn man weiß, wer in einer Moschee predigt, macht das weniger Angst." Die Politik müsse auch die Sorge vor einer Islamisierung ernst nehmen.

Diese Angst sieht auch Justizminister Ulrich Goll. "Das könnte auch bei uns passieren", sagt der FDP-Mann in Richtung Tribüne, wo ihm die Delegation aus der Schweiz aufmerksam zuhört. Umso wichtiger sei eine vernünftige Integrationspolitik.

Als Richtschnur nimmt er dabei die deutsche Verfassung: "Das sind die Spielregeln, die den Zusammenhalt sichern." Auch der Bau von Minaretten sei grundgesetzlich abgesichert, sagte Goll, der auch Integrationsbeauftragter der Landesregierung ist. Und er verbreitete Zuversicht: "Ich habe den Eindruck, dass man immer mehr zu vernünftigen Lösungen kommt." Allerdings werde er nicht alles dulden, was religiös begründet sei: Gegen Zwangsheirat etwa will er mit neuen Gesetzen vorgehen.

Die beiden Schlüssel zur Integration sind für Goll Sprache und Bildung. "Wir werden dafür große Mengen Geld ausgeben", sagte er mit Blick auf die Landesprogramme zur Sprachförderung und der Einbeziehung der Eltern von Migranten.