Schon wieder ein Mann: Der neue Landtagspräsident Wilfried Klenk (links) mit seinem Vorgänger Guido Wolf Foto: dpa

Hat sich nun der politische Gegner quer gelegt? Oder waren es die Frauen, die sich fraktionsübergreifend benachteiligt fühlen? CDU-Mann Klenk jedenfalls erhielt bei seiner Wahl zum Landtagspräsidenten nur ein mageres Ergebnis.

Stuttgart - Für alle, die das Resultat nicht zu deuten wissen, hält der neue CDU-Fraktionschef Guido Wolf am Mittwoch eine Interpretationshilfe bereit. „Das sehr gute Wahlergebnis für den neuen Landtagspräsidenten Wilfried Klenk MdL zeigt, dass er bereits bei seinem Amtsantritt auf eine breite Zustimmung aus allen Fraktionen zählen kann“, befindet Wolf.

Falls man eine Zustimmung von 70,8 Prozent als „sehr gut“ wertet, mag das zutreffen. Im Vergleich zu früheren Wahlen schneidet der – persönlich weithin geschätzte – CDU-Mann Klenk allerdings bemerkenswert schlecht ab. Er fährt sogar das magerste Ergebnis seit 1992 ein. Dabei wird ein Landtagspräsident doch eigentlich im gegenseitigen Einvernehmen ins Amt gewählt. Die größte Fraktion hat traditionell das Vorschlagsrecht, und traditionell schließen sich die meisten Kollegen an.

Umso größer ist das Rätselraten, wer denn nun hinter den fünf Neinstimmen und zehn Enthaltungen steckt, die Vizepräsidentin Brigitte Lösch bekannt gibt. Außerdem entfallen 22 Stimmen auf „andere“ Kandidaten, also eben nicht auf den offiziellen Bewerber. Ein Abgeordneter votiert für Vizepräsidentin Lösch, 21 Stimmen aber erhält Friedlinde Gurr-Hirsch – jene CDU-Frau, die innerhalb ihrer Fraktion bei der Nominierung gegen Klenk verloren hat.

Da die Wahl geheim ist, bleibt nichts als Spekulation. Doch die Unionsfrauen hatten bereits Ende Januar bei der Nominierung Klenks zu Protokoll gegeben, dass die Partei „eine historische Chance, erstmals in der Geschichte Baden-Württembergs eine Frau an die Spitze des Parlaments zu wählen“ ungenutzt verstreichen ließ.

Schlug sich dieser CDU-interne Unmut auch bei der Wahl nieder? Das wird allgemein bezweifelt. Die Abfuhr hat der neue Landtagspräsident wohl eher den Regierungsfraktionen zu verdanken.

„Natürlich wäre eine Frau als Kandidatin ein gutes Signal gewesen, aber Klenk wird das auch gut machen“, sagt die Abgeordnete und CDU-Generalsekretärin Katrin Schütz am Rand der Sitzung. Sie sei Marathonläuferin und wisse, dass man in der Frauenpolitik einen langen Atem brauche.

Draußen vor der Eingangshalle hat man für solche Duldsamkeit allerdings wenig Verständnis. Etwa 30 Verdi-Gewerkschafterinnen und Mitglieder des Landesfrauenrats demonstrieren im Rahmen einer „Mahnwache“ dagegen, dass der Landtag innerhalb einer Wahlperiode nun schon zum dritten Mal einen Mann an die Spitze wählte. „Frauenerwartungsland“ ist auf Plakaten zu lesen oder „Frauen im Lokus“ – in Anspielung auf die CDU-Parole „Frauen im Fokus“.

Dieses Motto sei ein Lippenbekenntnis, erklärt Manuela Rukavina, die seit Jahresbeginn den Landesfrauenrat führt, den größten Dachverband von Frauenorganisationen im Südwesten. Und sie drohte: „Frauen werden solche Bekenntnisse bei der Landtagswahl 2016 entsprechend quittieren.“ Mit 28 weiblichen Abgeordneten im Landtag sei Baden-Württemberg bundesweit das Schlusslicht.

Klenk selbst geht in seiner Antrittsrede nur kurz auf die öffentliche Kritik ein. Das gehöre dazu, so sei eben Demokratie. „Wesentlich war: Die Kritik ging nicht ins Persönliche, meine Person wurde von niemandem in Frage gestellt.“

Im übrigen ermahnt er seine Kollegen, im Umgang miteinander „anständige Umgangsformen“ walten zu lassen, um so für die Arbeit des Parlaments in der Öffentlichkeit zu werben: „Lassen Sie uns, ungeachtet aller Meinungsunterschiede, Politik positiv ins Land tragen!“

Nicht Schärfe, Lautstärke oder Polemik überzeugten die Menschen, sondern der Gehalt der Worte und die Wahrhaftigkeit der Überzeugungen. Man möge doch bitte, auch wenn allmählich Wahlkampfzeiten anbrächen, den Aschermittwoch beim 18. Februar belassen.

Um zu zeigen, dass er sich trotz der gebotenen Neutralität auch weiterhin als Abgeordneter fühlt, hält Klenk seine Rede nicht vom erhöhten Präsidentenstuhl aus, sondern am normalen Rednerpult.

Und noch eine Ermahnung hören die Volksvertreter: Dass sie doch, bitte schön, bei ihren Beiträgen frei reden mögen. Ein Vorbild gibt Klenk dafür allerdings nicht: Er selbst liest alles Wort für Wort vom Blatt ab.