Wer knipst denn da? Die Burenziegen von Heiner Negele beim Arbeitseinsatz auf dem Kappelberg im Juni. Foto: Gottfried Stoppel

Bereits Mitte September soll die gefräßige Ziegenherde von Heiner Negele wieder auf dem Fellbacher Kappelberg weiden – weil sich der erfolgreiche Erstversuch nicht nur ökologisch auszahlt, sondern auch günstiger ist als jede Motorsense.

Fellbach - Gundis Steinmetz deutet auf ein Foto aus dem Jahr 1824, das einen weitgehend kahlen Kappelberg zeigt. „Es waren die Allmendflächen der Stadt, auf denen die Bauern ihre Tiere weiden ließen“, sagt die beim Fellbacher Stadtplanungsamt für Landschaftsplanung und Naturschutz zuständige Expertin.

Bereits jetzt finden sich dort seltene, an trockene und warme Standorte angepasste Pflanzen und Tiere

Viel ist davon nicht mehr übrig geblieben, denn die von Pflanzenfressern geschaffene Kulturlandschaft ist bis auf zwei Flächen verbuscht oder gar von Wald überwachsen. Die Reste, also die Steppenheide bei der kleinen Ebene und das einige Hundert Meter dahinter gelegene Naturschutzgebiet am Hinteren Berg, sollen nun wieder aufgewertet werden.

Bereits jetzt finden sich dort seltene, an trockene und warme Standorte angepasste Pflanzen und Tiere. Vor allem geht es um Insekten wie den Ameisenlöwen, die Sand-Blattschneiderbiene oder die Kurzflügelige Beißschrecke. Aber auch die ungiftige Schlingnatter kommt hier vor. Zu verdanken ist das dem Einsatz von Mitgliedern des NABU auf der Steppenheide und des Schwäbischen Albvereins am Hinteren Berg.

Das optische Ergebnis war für manchen Laien zunächst erschreckend

„Dank der Ehrenamtlichen ist es gelungen, die Flächen in ihrem heutigen Zustand zu erhalten und damit die Chance zu haben, die Flächen weiter aufzuwerten“, sagt Sabine Laartz, die Pressesprecherin der Stadt Fellbach. Langfristig sollen die beiden Flächen wachsen. Von der Stadt und etlichen anderen damit befassten Behörden gewünscht ist eine Vernetzung von Steppenheide und Hinterem Berg, damit ein biologischer Austausch stattfinden kann und sich die Artenvielfalt noch weiter steigert.

Deswegen hat Anfang Juni der Aichwalder Heiner Negele begleitet von rund zwei Dutzend interessierten Menschen 61 seiner Burenziegen auf die beiden Flächen getrieben. Begrenzt von einem mobilen Weidezaun haben sie die Wiesen abgeweidet, aber auch in den bereits verbuschten Flächen unerwünschte Pflanzen abgenagt. Das optische Ergebnis war für manchen Laien zunächst erschreckend.

Entscheidend ist aber die Aufwertung der Fläche insgesamt

So beklagte etwa ein Schmidener Leser der Fellbacher Zeitung per Brief an die Redaktion, dass schon nach kürzester Zeit „die momentan blühenden Astlosen Graslilien“ restlos kahl gefressen worden waren. Tatsächlich machen die Vierbeiner auch vor manch seltener Pflanzenart nicht halt. Unabhängig davon, dass die Astlose Graslilie als mehrjähriges Gewächs inzwischen wieder ausgetrieben und bereits erneut geblüht hat, sind solche Folgen unvermeidlich.

Entscheidend ist aber die Aufwertung der Fläche insgesamt. Büsche und Bäume sind auf den Kulturlandschaftsflächen unerwünscht. Sie maschinell zu entfernen war bisher trotz der umfangreichen Hilfe ehrenamtlich Engagierter ein aufwendiges Unterfangen. Sabine Laartz schätzt, dass die bisherigen Pflegeeinsätze unter dem Strich teurer waren, als die rund 5000 Euro, die jetzt für die Beweidung durch Heiner Negeles Ziegen angefallen sind.

Von den Spaziergängern und Radfahrern gab es offenbar viel Verständnis

Anders als vielfach vermutet schicken Schaf- und Ziegenhalter ihre Tiere nur gegen Bezahlung auf Weideflächen. Vom Verkauf des Fleischs der Tiere können sie angesichts des enormen Aufwands für Transport und tägliche Wasserversorgung der Ziegen sowie für das Aufstellen des Weidezauns in teils steilem Gelände nicht leben. Die Stadt erhält im Gegenzug Punkte auf ihrem Konto der ökologischen Ausgleichsmaßnahmen, das durch Baumaßnahmen im Stadtgebiet belastet wird.

Für Gundis Steinmetz hat sich die Beweidungsaktion, der ab Mitte September eine zweite folgen soll, gelohnt. „Der erste Eindruck ist positiv“, sagt sie, nachdem sie die beiden Flächen zusammen mit Fachleuten besichtigt hat. Von den Spaziergängern und Radfahrern gab es offenbar viel Verständnis, obwohl ein durch die Steppenheide führender Weg zeitweise gesperrt werden musste.

Auf die erste Beweidungsaktion werden noch mindestens fünf weitere folgen

Behördlicherseits intensiv beobachtet wird die gen Süden steil abfallende Hangkante an der Steppenheide. Gundis Steinmetz erhofft sich hier langfristig einen ähnlichen Effekt wie auf den Deichen an der Nordsee, wo Schafe mit ihren Hufen für festeren Untergrund sorgen. Besser als jede Sämaschine können nach ihrer Ansicht die Ziegen mit ihren Kötteln und den darin vorhandenen Samen für Pflanzenwachstum der erwünschten Arten am bisher teils kahlen und teils verbuschten Hang sorgen.

Nachdem vor vielen Jahren auf der Steppenheide eine Beweidungsaktion mit Schafen nicht optimal abgelaufen war, lobt Gundis Steinmetz die aktuelle Zusammenarbeit mit Heiner Negele, einem in Sachen Kulturlandschaftspflege überaus erfahrenen und kenntnisreichen Ziegenhalter. Auf die erste Beweidungsaktion werden noch mindestens fünf weitere folgen. Der Vertrag mit Heiner Negele läuft über zunächst drei Jahre und es sind zwei Beweidungen pro Jahr vorgesehen, die Steppenheide wird künftig also deutlich intensiver gepflegt als bisher.

Am anderen Ende von Fellbach halten ebenfalls Nutztiere den Oeffinger Berg buschfrei. Die Schafe und Ziegen von Tibor Wodetzky bleiben allerdings nicht nur einige Wochen, sondern gleich mehrere Monate hinter den dort fest installierten Zäunen im Einsatz.