Der Angeklagte wurde am frühen Morgen von einem Spezialeinsatzkommando festgenommen. Foto: 7aktuell.de/Simon Adomat

Weil er in Stuttgart-Münster dreimal auf ein Auto mit drei Insassen gefeuert hat, muss ein 18-Jähriger ins Gefängnis. Die Richterin bezeichnet den Vorfall als „heftig“.

Stuttgart - Ein wütender junger Mann hat Mitte Januar dieses Jahres versucht, sich mit Waffengewalt Respekt zu verschaffen. Die 2. Jugendstrafkammer des Landgerichts hat den 18-Jährigen deshalb wegen versuchten Totschlags, Verstoßes gegen das Waffengesetz und wegen schwerer räuberischer Erpressung zu drei Jahren und sechs Monaten Jugendgefängnis verurteilt. Damit ist die Kammer dem Antrag der Staatsanwältin gefolgt. Der Verteidiger hatte eine Strafe unter drei Jahren für angemessen gehalten.

Wer nun annimmt, bei dem Raub habe es sich um ein halbes Vermögen und bei dem Schusswaffeneinsatz um eine wilde Auseinandersetzung gehandelt, geht allerdings fehl. Und wer zudem denkt, bei dem Angeklagten handele es sich um einen polizeibekannten Intensivtäter, irrt sich ebenfalls. Der junge Stuttgarter ist nicht vorbestraft, bei dem Vorfall ging es um zwei Gramm Marihuana, um gerade einmal 20 Euro – und es handelte sich um eine hochgefährliche Kurzschlussreaktion.

Die Waffe aus ungeklärten Gründen mitgenommen

Der Schüler, der bei seinen Eltern wohnt und von einem „harmonischen Familienleben“ spricht, hatte am Abend des 15. Januar die elterliche Wohnung in Münster verlassen. Dabei legte er, „einfach so, ohne Plan“, wie er sagt, schon den Grundstein für die spätere Eskalation. Er steckte eine scharfe Waffe in die Tasche, die er einige Monate zuvor aus Neugierde vom Bekannten eines Bekannten für 300 Euro gekauft hatte.

„Aus völlig ungeklärten Gründen“ habe der Angeklagte die Waffe mitgenommen, so Sina Rieberg, Vorsitzende Richterin der 2. Jugendstrafkammer.

Auf einem Spielplatz wollte er zwei Gramm Marihuana holen, die er dort nach eigener Aussage unter einem Müllbehälter versteckt hatte. Doch das Rauschgift war verschwunden. Und der Angeklagte hatte, warum auch immer, sofort einen bestimmten Bekannten als Dieb in Verdacht. Und just diesen jungen Mann sah er gegen 18.30 Uhr nahe des Rathauses. Er zog die Waffe, packte den Bekannten an der Jacke und presste dem Opfer 20 Euro ab. „Die Waffe war dabei deutlich sichtbar“, so die Richterin. Nach dieser schweren räuberischen Erpressung machte sich der 18-Jährige von dannen, um mehrere Kumpel zu treffen.

Später nahm der Angeklagte einen schwarzen Mercedes wahr, der verkehrsbedingt angehalten hatte. Darin saßen der Mann, dem er die 20 Euro abgenommen hatte, ein weiterer Bursche, mit dem er im Streit lag und ein dritter Mann. Einer der Begleiter des Angeklagten soll gegen den Wagen getreten haben, der 18-Jährige wollte eine Tür öffnen – was ihm nicht gelang. Auf seinem Weg auf die andere Seite des Autos fuhr der Mercedes kurz an, der 18-Jährige musste sich an der Kühlerhaube abstützen.

Drei Schüsse in schneller Folge

Diese „Respektlosigkeit“ habe die Wut des Angeklagten nur noch gesteigert, sagt die Vorsitzende Richterin. In schneller Folge habe der Bursche drei Schüsse auf den Wagen abgegeben, fährt Richterin Rieberg fort. Eine Kugel fetzte in den Stoßfänger, eine zweite in einen Reifen und die dritte Kugel durchschlug das Heckfenster.

„Dabei nahm der Angeklagte in Kauf, dass ein Schuss hätte tödlich sein können“, so die Richterin. Juristisch ist dies ein bedingter Tötungsvorsatz. Tatsächlich kamen die drei Insassen mit dem Schrecken davon.

Nach der Attacke flüchtet der Schütze in Richtung Neckar, zerbrach seine Waffe in Einzelteile und entsorgte diese im Fluss. Deshalb konnte auch nicht festgestellt werden, um welches Fabrikat es sich gehandelt hatte. Die Munition hatte das Kaliber 7,56 Millimeter. Der Verkäufer der Waffe konnte ebenso wenig ermittelt werden.

SEK im Einsatz

Nachdem die Opfer die Polizei alarmiert hatten, rückte am frühen Morgen ein Spezialeinsatzkommando bei den Eltern des Angeklagten an und nahm den 18-Jährigen fest. Schließlich wusste die Polizei nicht, ob der Tatverdächtige weitere Waffen besaß.

Der junge Mann hatte schon bei der Polizei ein Geständnis abgelegt und sich während des Prozesses bei den Geschädigten entschuldigt, was diese auch annahmen. Unter anderem weil der Schüler nicht vorbestraft ist, beließen es die Richterinnen und Richter der 2. Kammer bei einer Strafe von dreieinhalb Jahren.

Der junge Mann wird seine Zeit wohl nicht vollständig absitzen müssen. Richterin Rieberg macht allerdings am Ende klar: „Er hat eine Waffe in einem Wohngebiet eingesetzt, um sich Respekt zu verschaffen. Das ist schon heftig.“