Um mehr als eine Million Euro soll ein Mann seinen Arbeitgeber geprellt haben. Jetzt steht er in Stuttgart vor Gericht. Foto: dpa

Drei Jahre lang ist es gut gegangen. In dieser Zeit hat ein Mitarbeiter einer Stuttgarter Firma munter in die Firmenkasse gegriffen. Er flog auf, als er zu dreist wurde.

Stuttgart - Norbert Winkelmann, Vorsitzender Richter der 19. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart, ist für seine souveräne Verhandlungsführung bekannt. Und er tut auch gern mal etwas, was seine Justizbeamten ins Schwitzen bringt. So auch am Dienstag im Saal 17.

Dort muss sich ein 40 Jahre alter Mann wegen Untreue in 177 Fällen verantworten. Es wird lediglich der Anklagesatz verlesen, der Prozess soll so richtig erst am 5. Juli beginnen. Ehe der Angeklagte in Handschließen abgeführt wird, erlaubt Winkelmann dem Vater und der Schwester, den 40-Jährigen herzhaft in die Arme zu nehmen. Tränen fließen. Dann verschwindet der Mann aus einem Städtchen im Kreis Ludwigsburg in den Katakomben.

Der Angeklagte, der als Beruf Objektkalkulator angibt, soll es als Mitarbeiter einer Stuttgarter Firma für Fenster und Türen ziemlich bunt getrieben haben. Seit 2009 war der Mann bei dem Unternehmen angestellt. Im November 2014 soll er zum Straftäter geworden sein.

Zahlungsziel war das Privatkonto

Die Kundschaft sucht sich bei der Firma Fenster oder Türen aus. Dieser Auftrag wird dann an externe Hersteller weitergegeben. Die Externen liefern die Ware an den Kunden und bauen sie in der Regel auch ein. Der Kunde bezahlt die Rechnung an die Firma, bei der der Angeklagte beschäftigt war. Da der Mann Zugriff auf die Kundendaten hatte, schaltete er sich dazwischen und gab als Zahlungsziel sein Privatkonto an. Das soll er laut Anklage zwischen 2014 und 2017 in sage und schreibe 177 Fällen getan haben. Mit dieser simplen Masche soll der 40-Jährige 1,2 Millionen Euro ergaunert haben – ohne dass der umgeleitete Geldfluss seinem Arbeitgeber aufgefallen wäre. Offenbar war es in dem Stuttgarter Unternehmen nicht üblich, mit dem sogenannten Vier-Augen-Kontrollprinzip zu arbeiten.

Am Ende wurde der Mann zu dreist

Die betrügerisch umgeleiteten Rechnungsbeträge quittierte der Angeklagte sorgfältig. Auf den ersten Blick schien alles korrekt abzulaufen. Erst als der Mann zu dreist wurde, flog der jahrelange Schwindel auf. Anfang Juli 2017 soll der Mann über seine Lebensgefährtin und diese wiederum auf den Namen ihrer Tochter mehrere Fenster und eine Tür bestellt haben – für den Neubau des Eigenheims in dem Städtchen im Kreis Ludwigsburg. Die Fenster und die Tür wurden eingebaut und der betrogenen Firma mithilfe des Angeklagten in Höhe von 44 800 Euro in Rechnung gestellt.

In dem Stuttgarter Unternehmen wurde schließlich bemerkt, dass man übers Ohr gehauen worden war. Dem 40-Jährigen wurde im November 2017 gekündigt. Festgenommen wurde er am 20. Dezember 2017.

Verteidigerin Jasmin Wanka-Bachmeyer hat darauf gedrungen, den Prozess gegen ihren Mandanten so schnell wie möglich beginnen zu lassen. Die 19. Kammer hat dem nachgegeben – wohl nicht zuletzt deshalb, weil sie und ihr Schützling ein umfassendes Geständnis angekündigt haben.