Das Objekt der Begierde – die Plakette für die bestandene Kfz-Hauptuntersuchung Foto: dpa-Zentralbild

Das Landgericht Stuttgart hat einen Prüfingenieur ins Gefängnis geschickt, weil er schrottreifen Autos die sogenannte Tüv-Plakette erteilt hat.

Stuttgart - Das Landgericht Stuttgart hat einen Prüfingenieur der Gesellschaft für technische Sicherheitsprüfungen (GTS) zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Damit wandert der zweite Prüfer der GTS hinter Gitter.

Der Mann aus der Nähe von Nagold hat sich etwas gegönnt. Er sammelt Oldtimer. In einer Halle im Kreis Ludwigsburg hat er rund ein Dutzend alte Feuerwehrautos, Unimogs und diverse Pkw stehen. Auch zehn alte Trabant, landläufig Trabis genannt, stehen in der Halle. Daneben besitzt der 51-Jährige Wiesen, ein Waldstück und Viehweiden. Als selbstständiger Prüfingenieur hat er bis zu seiner Kündigung vor wenigen Wochen bis zu 4000 Euro netto pro Monat verdient. Doch das war ihm offenbar nicht genug.

„Leistungsfähigster Prüfer“ im Land

„Aus reinem Gewinnstreben“, so Staatsanwalt Ulf Gutfleisch, habe der Angeklagte viel mehr Wagen pro Jahr mit der begehrten HU-Plakette, sprich mit dem Tüv-Siegel, ausgestattet, als dies eigentlich möglich gewesen sei. Rund 5000 Prüfungen pro Jahr seien realistisch. Der Ingenieur habe jedoch mehr als 9000 Wagen „geprüft“. Etliche davon seien trotz erheblicher Mängel mit der Plakette versehen worden. 2012 schwang sich der 51-Jährige gar zum leistungsfähigsten Prüfer Baden-Württembergs auf.

Der Staatsanwalt listet einige Beispiele auf. So habe der Mann einem Fiat Punto, der eigentlich zum Ausschlachten gedacht war, die Plakette erteilt. Auch ein Mercedes C-Klasse, dessen Bodenblech durchgerostet war, bekam den Stempel. „Der Zustand dieses Wagens war desaströs“ so der Ankläger. So sei das von 2012 bis 2014 gegangen. Der Vorsitzende Richter spricht von „gravierenden und schlimmen Mängeln“.

Wie viele Autos trotz Plakette schrottreif geblieben sind, ist unklar. Die Anklage hat sich auf 18 Wagen aus dem Kreis Böblingen und aus Stuttgart konzentriert, um den Fall nicht ausufern zu lassen. „Sie haben bei den Wagen erhebliche Mängel gesehen und trotzdem die Plakette erteilt“, so der Vorsitzende Richter. Auch Monate später hätten diese Autos noch dieselben Schäden aufgewiesen.

Hunderttausende Euro Steuern hinterzogen

Zwischen 2006 und 2014 habe der Angeklagte zudem Hunderttausende Euro an Steuern hinterzogen. Das Gericht beziffert die Summe in seinem Urteil mit knapp 710 000 Euro, von denen er inzwischen 190 000 Euro getilgt hat.

In einem Fall soll der 51-Jährige im Dezember 2015 unerlaubterweise einen Stempel des Tüv Süd verwendet haben. Deshalb wurde er neben der Steuerhinterziehung und der Falschbeurkundung im Amt auch der Urkundenfälschung für schuldig befunden. Sein Verteidiger hatte eine bewährungsfähige Strafe beantragt. Dem folgte die 20. Strafkammer nicht, der Prüfingenieur muss hinter Gitter.

Schon im Mai 2014 hatte das Landgericht Stuttgart einen GTS-Prüfer zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Der Mann hatte sich – anders als der jetzt Verurteilte – von mehreren Werkstattinhabern bestechen lassen. Bei seiner Festnahme hatte die Polizei 210 000 Euro in bar in seinem BMW sichergestellt.