Großeinsatz auf dem Weihnachtsmarkt 2017: Die „Bombe“ war in Wirklichkeit ein Radio. Foto: SDMG

Der Schrecken war groß. Ein Mann soll auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt 2017 mit einer Bombe gedroht haben. Der Schillerplatz wurde geräumt. Jetzt steht der 53-Jährige erneut vor Gericht.

Stuttgart - Der junge Polizist erinnert sich noch gut. „Das war mein schlimmster und schwierigster Einsatz bis jetzt“, sagt er vor der 41. Berufungskammer des Landgerichts Stuttgart. Der Beamte war am 17. Dezember 2017 mit seinen Kollegen auf den Stuttgarter Weihnachtsmarkt beordert worden – Bombenalarm.

Ein Jahr zuvor war ein Terrorist mit einem schweren Lastwagen in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz gerast und hatte zwölf Menschen getötet. 67 Personen wurden verletzt. Und jetzt, ziemlich genau ein Jahr später, eine Bombe in Stuttgart?

Gegen 20.20 Uhr hatte die Inhaberin eines Standes mit hölzernen Krippenfiguren aus Südtirol auf dem Schillerplatz den Sicherheitsdienst alarmiert. Ein Mann mit Radio sei an ihrem Stand und habe sie direkt angesprochen: „Das ist eine Bombe.“ Sie habe ihn erst gar nicht verstanden und nachgefragt. „Er hat es zweimal wiederholt“, sagt die Geschäftsfrau im Zeugenstand vor der 41. Berufungskammer.

Schillerplatz wurde geräumt und abgesperrt

Die Sicherheitsleute versuchten, dem Mann das Radio zu entwinden, was ihnen aber nicht gelang. „Er hat gesagt, er habe eine Bombe“, so der eine Sicherheitsmann. Sein Kollege ergänzt, der Mann habe auch von einer „Granate“ gesprochen. Dann traf die Polizei ein. Der Schillerplatz wurde geräumt und abgesperrt.

Der Mann habe das Radio umklammert und gesagt, er habe eine Bombe, bestätigt der junge Beamte vor Gericht. Nur mit größter Mühe habe man den angeblichen Attentäter fixieren und wegbringen können. „Ich habe noch überlegt, ihn in die Stiftskirche zu ziehen. Dort wäre die Sprengwirkung dann nicht so verheerend gewesen“, sagt der Polizist. Schließlich hätten er und seine Kollegen anders entschieden. Und dann mussten sich die Beamtinnen und Beamten noch wüste Beleidigungen wie „Himmlers Schergen“ von dem Mann mit dem Radio anhören.

Von all dem will der 53-jährige Angeklagte, der vom Amtsgericht Stuttgart Anfang März dieses Jahres wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und wegen Beleidigung zu sieben Monaten ohne Bewährung verurteilt worden war, in dem von ihm angestrengten Berufungsprozess nichts wissen. „Ich habe gesagt, ich habe eine Plombe, nicht eine Bombe“, sagt er. Sein Radio sei im Gefängnis in Ravensburg, wo er bis kurz vor seinem Auftreten auf dem Weihnachtsmarkt, gesessen hatte, verplombt worden. Viele Leute hätten ihn auf das Radio mit der Plombe angesprochen und er habe sich – warum auch immer – als Ex-Häftling zu erkennen geben wollen. Und überhaupt sei er bei der Festnahme schwer verletzt worden, so der Mann.

Der vor allem wegen Verkehrsdelikten, aber auch wegen Körperverletzung polizeibekannte Mann, ein gelernter Maurer und späterer Polier, hat die sieben Monate, die ihm das Amtsgericht Stuttgart aufgebrummt hatte, komplett abgesessen. Er ist trotzdem in Berufung gegangen.

Also eine Plombe, keine Bombe? Auch die Beleidigungen streitet er ab. Die Polizeibeamtin, die bei seinem Transport aufs Revier dabei war, habe vielmehr ihm von ihrem Intimschmuck erzählt. Darauf habe er lediglich reagiert.

Kauzig, aber nicht psychisch krank

Seinem Verteidiger Boris Müller bleibt nichts anderes übrig, als auf Freispruch zu plädieren, nachdem die psychiatrische Gutachterin Heidi Grohmann dem 53-Jährigen zwar „Kauzigkeit“, aber keine psychische Krankheit bescheinigt hatte. Der Mann sei ein Soziopath mit dissozialen Einsprengseln, weise Charaktermängel auf, sei aber nicht gerichtsrelevant psychisch krank, so die Gutachterin.

Vorsitzender Richter Andreas Müller und seine 41. Berufungskammer verurteilen den Mann schließlich zu zehn Monaten Gefängnis ohne Bewährung. Darin sind sieben Monate wegen Körperverletzung gegen seinen Bruder beinhaltet, die der 53-Jährige aus einem Ravensburger Urteil mitbringt.

Darin steht, der Angeklagte sei nach seiner Haftentlassung womöglich wegen seiner Obdachlosigkeit frustriert gewesen. Vielleicht habe er die Aktion auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt gemacht, um über den Winter wieder ins Gefängnis zu kommen.

Die sieben Monate, die ihm das Amtsgericht Stuttgart dann aufgebrummt hatte, sind bereits durch die Untersuchungshaft verbüßt. Für die verbleibenden drei Monate bekommt der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte einen Haftantrittstermin. Damit würde seine angebliche Rechnung, den Winter wieder hinter Gittern verbringen zu können, aufgehen.