Ein Angeklagter wird in den Gerichtssaal geführt. Foto: dpa/Bodo Schackow

Es geht um schwerwiegende Vorwürfe: Zwei Polizisten sollen im Dienst eine Frau vergewaltigt haben. Dem Prozessauftakt gegen die jungen Männer in Erfurt folgen auch einige Zuschauer - mit Corona-Schutz.

Erfurt - Es sollte die letzte Schicht vor dem Studiumsbeginn für einen der Angeklagten sein. Doch das, was an diesem Tag als Verkehrskontrolle begann, soll sich zu einem Alptraum entwickelt haben: Zwei junge Polizisten sollen gemeinsam im Dienst eine Frau vergewaltigt haben - so zumindest der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Beim Prozessauftakt am Landgericht Erfurt bestanden die Angeklagten und ihre Verteidiger am Dienstag darauf, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich gewesen sei.

Er sei perplex gewesen, als die Frau plötzlich nackt neben ihm stand, sagte der 23-jährige Angeklagte. Den Kontakt habe sie aber schon die ganze Zeit gesucht, ihn und seinen Kollegen an Armen, Beinen und Rücken berührt und immer wieder gelächelt. Der junge Mann, der noch in einem Beamtenverhältnis auf Probe steht, stockte immer wieder in seinen Ausführungen. Auch sein 28 Jahre alter Mitangeklagter stellte mit brüchiger Stimme die Geschehnisse aus seiner Sicht dar: „Es war wie im Film.“ Er habe nicht darüber nachgedacht.

Polizisten begleiten Frau in Wohnung

Die Staatsanwaltschaft sieht es so: Bei einer Verkehrskontrolle mit Kollegen bei der späteren Nebenklägerin und ihrem Begleiter werden die Polizisten stutzig. Der Ausweis der gebürtigen Polin scheint gefälscht zu sein. Um an ein authentisches Dokument zu kommen, fahren die Polizisten mit einem weiteren Kollegen, der Frau und ihrem Begleiter zu der Wohnung der damals 32-Jährigen nach Marlishausen (Ilm-Kreis). Die Angeklagten gehen mit der Frau hoch, ihr Kollege bleibt mit dem Begleiter zum Rauchen unten.

In der Wohnung kommt es dann zum Sex. Dieser soll laut Angeklagten einvernehmlich gewesen sein. In der Anklage heißt es jedoch, dass die Polizisten gegen den eindeutigen Willen der Frau handelten. In der Anklageschrift ist auch von einem zerrissenen Slip die Rede und leichten inneren Verletzungen bei der Frau. Die Anklage lautet unter anderem auf gemeinschaftlicher Vergewaltigung im besonders schweren Fall. Der 23-jährige Angeklagte sagte, die Frau habe zu keinem Zeitpunkt geäußert, dass sie keinen Sex wolle.

Seit Oktober in Untersuchungshaft

In ihrer Einlassung gaben sich die beiden Angeklagten teils peinlich berührt. Richter, Schöffen und Anwälte stellten viele Detailfragen: Welche Hand benutzte die Frau zusätzlich beim Oralverkehr? Wo ejakuliert der Kollege hin? Auch Fragen zu den Sexualpraktiken mit ihren Partnerinnen sollten die Angeklagten beantworten.

Da die Polizisten der Polizeiinspektion Gotha ihre Dienstwaffen dabei gehabt haben sollen, kann eine Strafe härter ausfallen. Die Anklagebehörde wirft ihnen zudem die Ausnutzung ihrer Amtsstellung vor. Seit Anfang Oktober sitzen sie in Untersuchungshaft. Ihnen droht bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung eine Haftstrafe von drei bis 15 Jahren. Derzeit sind sie vom Dienst suspendiert.

Die Frau habe gebrochen Deutsch und Englisch gesprochen, sagten die Angeklagten. Man habe sich aber irgendwie verständlich machen können. Zum Verhandlungsauftakt erschien die Frau am Dienstag nicht.

Sex mit Handy aufgenommen

Laut Staatsanwaltschaft nahm einer der Angeklagten die Tat auf, das Handy mit der Aufnahme sei aber in einen Fluss geworfen worden. Das Gerät konnte zwar geborgen werden, bislang sei es aber nicht gelungen, die Aufnahme wiederherzustellen. Der ältere Angeklagte gab am Dienstag an, den Sex mit dem Handy gefilmt zu haben. „Aus Blödheit“ habe er einem anderen Kollegen die Aufnahmen gezeigt, sie dann aber gelöscht.

Der Prozess startete holprig: Wegen einer fehlerhaften Schöffenbesetzung unterbrach der Vorsitzende Richter, Detlef Hampel, die Verhandlung nach Verlesung der Anklage, um die richtige Schöffin holen zu lassen.

Auch die Umstände, unter denen verhandelt wurde, waren ungewöhnlich. Zur Eindämmung der Corona-Pandemie durfte nur eine begrenzte Anzahl an Journalisten und Zuschauern mit Schutzmaske über Nase und Mund dabei sein. Bei den Eingangskontrollen wurde Fieber gemessen. Im Saal selbst trennten durchsichtige Schutzscheiben die Plätze der Prozessbeteiligten. Am Freitag soll die Verhandlung weitergehen.