Bernd Riexinger erhält bei seinem Landesverband große Unterstützung. Foto: dpa

Linkspartei-Chef Bernd Riexinger prophezeit eine weitere Erosion der SPD in der großen Koalition – und hofft, davon zu profitieren. Doch auch in den eigenen Reihen sind die Auseinandersetzungen noch nicht ausgestanden, wie der Landesparteitag in Stuttgart zeigt.

Stuttgart - Der Machtkampf in der Linkspartei, der auf der Fraktionsklausur vor einem Monat eskalierte und nur mühsam beruhigt werden konnte, hat seine Spuren in der Linkspartei hinterlassen. „Wir brauchen eine inhaltliche Diskussion und kein Dauerzerwürfnis von Partei und Fraktion“, sagt die Landesvorsitzende Heidi Scharf auf dem Landesparteitag in Stuttgart. „Ich möchte nicht ständig ein Gerangel wie bei der CSU.“ Dies führe nicht zu mehr Glaubwürdigkeit. „Intern können die Fetzen fliegen.“ Aber „wir erwarten, dass unsere Abgeordneten nach außen die Positionen der Partei vertreten“, mahnt sie.

Gemeint ist damit vor allem Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, die mit ihren Positionen zur Flüchtlingspolitik intern immer wieder aneckt. „Die Linke steht für Integration – nicht für Abschottung“, betont Scharf. Einer der am Machtkampf Beteiligten, Coparteichef Bernd Riexinger, darf sich zwar auch angesprochen fühlen, kann sich des Rückhalts seines Landesverbands aber sicher sein. Seinerseits fordert er knapp, die Rangeleien zu beenden und betont, dass die Linke keine Aufweichung ihrer Flüchtlingspolitik brauche. „Es gilt der Grundsatz: Menschen in Not muss geholfen werden.“ Und in Deutschland müsse den Migranten eine Perspektive gegeben werden. Es sei daher richtig, soziale Probleme wie die Wohnungsmisere mit der Flüchtlingsdebatte zu verbinden, denn sie seien der Nährboden für rechte Parteien.

„Mit der SPD können wir nicht rechnen“

Dann erst kann sich Riexinger den externen Gegnern widmen: Das Debakel der Jamaika-Sondierer und die Wende der SPD in Richtung große Koalition hat auch die Linke in die Bredouille gebracht, weil ihr der erhoffte strategische Partner schon wieder abhanden zu kommen scheint. „Mit der SPD können wir unter diesen Umständen nicht mehr rechnen“, sagt er. Ihm sei nicht klar, wo sie nun die Kraft für ihre Erneuerung hernehmen solle. „Wenn die SPD weiter so herumhampelt, wird sie weiter erodieren.“ Die Linke müsse um die Wähler kämpfen, die der SPD verloren gehen. „Wir müssen zeigen, dass wir die Alternative sind.“

An die Adresse der Gewerkschaftsführer speziell der IG Metall gerichtet, warnt er, auf die Wiederauflage der großen Koalition zu hoffen. „Wer ständig auf das kleinere Übel setzt, bekommt am Ende das größere Übel“, sagt der frühere Stuttgarter Verdi-Bezirksgeschäftsführer. Auch im Teich der Grünen-Wähler möchte die Linke verstärkt fischen. Die seien so flexibel in den Sondierungen gewesen, „dass sie selbst ihre Kernpunkte im Klimaschutz aufgegeben haben“, spottet Riexinger.

In den Großstädten gut – auf dem Lande schlecht

Zwar werden die 6,4 Prozent der Zweitstimmen, die die Linkspartei bei der Bundestagswahl im Südwesten geholt hat, als Erfolg gewertet. Doch rührt dieser vor allem vom Zuwachs in acht größeren Städten her, wo sich jüngere und gebildete Wähler der Linken zuwenden. Die Kehrseite der Medaille: „Wir haben ein starkes Stadt-Land-Gefälle“, analysiert Scharf. Im ländlichen Raum müsse sich die Partei deutlich steigern, sonst komme sie bei der Landtagswahl 2021 nicht über die Fünf-Prozent-Hürde.

Eine halbe Million Stimmen hat die Linke bei den Bundestagswahlen trotz der beiden Neulinge AfD und FDP hinzugewonnen – vorrangig im Westen. Im Osten ist sie eingebrochen, obwohl sie in Thüringen den Ministerpräsidenten stellt. Dies löst auch in Baden-Württemberg Unruhe aus: Eine gründliche Aufarbeitung mahnt Heidi Scharf an. Und Riexinger rät, die gering verdienenden Beschäftigtengruppen etwa bei Amazon oder in der Pflege nicht aus den Augen zu verlieren. „Wir dürfen auch nicht den Fehler machen, die Erwerbslosen zu vernachlässigen“, tritt er internen Befürchtungen entgegen, die Linke könnte zu einer „grün angestrichenen Milieupartei“ werden.

Bundesweit hat die Linke in diesem Jahr bisher fast 8000 neue Mitglieder gewonnen und in Baden-Württemberg 692 – zu zwei Dritteln Menschen unter 35 Jahre.