Hausärzte sind Mangelware – aber warum ist das so? Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Lange Arbeitszeiten, Hausbesuche und Verantwortung für die eigene Praxis – den Landarzt alten Schlages findet man heute nur noch selten. Viele Orte haben gar keinen eigenen Hausarzt mehr. Was tun?

Stuttgart - Die Wege zum nächsten Hausarzt werden für die Menschen in Baden-Württemberg länger: 600 Stellen im ganzen Land sind nicht besetzt. Weil viele ältere Ärzte in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, könnte sich das Problem noch verschärfen. Die Politik versucht gegenzusteuern, aber das Problem ist immens.

Wie viele Hausärzte fehlen?

Die Landesregierung geht davon aus, dass rund 665 000 Menschen im Südwesten keinen Hausarzt in ihrer Heimatgemeinde haben. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Baden-Württemberg spricht von rund 600 Stellen für Hausärzte, die derzeit unbesetzt sind.

Wo fehlen besonders viele Hausärzte?

Wie eine Sprecherin der KV erläutert, sind weite Teile Baden-Württembergs mit Hausärzten unterversorgt. Dabei handelt es sich nicht nur um ein Problem auf dem Land. Zwar gehören zum Beispiel Regionen wie Horb am Neckar, Teile der Ostalb und Öhringen (Hohenlohekreis) zu den Gebieten im Südwesten, in denen es zu wenig Hausärzte gibt. Aber auch in Stuttgart können sich zum Beispiel noch Hausärzte niederlassen, weil dort Berechnungen der KV zufolge Bedarf besteht. Hingegen sind Gebiete wie Tübingen sowie Freudenstadt im Schwarzwald und Biberach - obwohl ländlich - relativ gut versorgt.

Was ist für die Zukunft zu erwarten?

„Unsere Hausärzte sind im Durchschnitt 55 Jahre alt“, sagt die KV-Sprecherin. Zwar arbeiteten einige Ärzte weit über das Rentenalter hinaus. Dennoch sei absehbar, dass sich der Hausärztemangel verschärfe, wenn die Kollegen in den Ruhestand gingen und nicht genug Nachwuchs nachkomme. Nach Angaben des Sozialministeriums sind 36 Prozent der Hausärzte sogar mehr als 60 Jahre alt.

Was sind die Gründe für den Mangel an Hausärzten?

Die KV-Sprecherin meint, dass es zu wenig Studienplätze für Medizin gebe. Auch ließen sich Ärzte immer weniger nieder, weil sie die Verantwortung für eine eigene Praxis nicht übernehmen wollten. In einer Praxis angestellt zu sein, gelte als attraktiver. Denn junge Menschen wollten heute anders arbeiten als ihre Eltern: Hausärzte, die bereit seien, 60 Stunden in der Woche zu arbeiten und Hausbesuche am Wochenende zu machen, würden weniger. Vor allem viele Frauen im Arztberuf arbeiten laut KV gerne Teilzeit, um genügend Zeit für die eigene Familie zu haben. Das gelte aber zunehmend auch für junge Männer. Auch das Sozialministerium stellt fest: „Nach einer Faustregel braucht es drei neue Ärztinnen und Ärzte, um die Arbeit von zwei in den Ruhestand wechselnden Ärzten kompensieren zu können.“

Was tut man gegen den Mangel?

Das Sozialministerium verweist auf ein Förderprogramm für Landärzte, über das seit 2012 mehr als 130 Ärzte mit insgesamt 2,5 Millionen Euro bezuschusst wurden. Die KV Baden-Württemberg gewährt in besonderen Mangelgebieten finanzielle Zuschüsse von bis zu 80 000 Euro für den Aufbau einer neuen Hausarztpraxis. Die Landesregierung erhöht die Zahl der Plätze für Studienanfänger für Humanmedizin im Südwesten von rund 1500 um 150 auf dann 1650 im Jahr.

Welche Vorschläge werden noch diskutiert?

Die CDU-Landtagsfraktion möchte die neuen 150 Studienplätze an junge Menschen vergeben, die zwar Landarzt werden möchten, aber bislang keinen Studienplatz bekommen haben, weil ihr Notendurchschnitt zu schlecht war. Im Gegenzug sollen sie sich verpflichten, später zehn Jahre als Hausärztin oder Hausarzt in einer unterversorgten Region Baden-Württembergs zu arbeiten. Die medizinischen Fakultäten der Unikliniken Ulm, Tübingen, Freiburg, Heidelberg und Mannheim regen Stipendien ab dem 5. oder 7. Semester in Höhe von 600 Euro im Monat an für Studenten, die sich verpflichten, später als Landarzt zu arbeiten. Mit diesem Vorschlag sympathisieren die Grünen.

Welche Kritik gibt es an dem Vorschlag der CDU?

Das von den Grünen geführte Wissenschaftsministerium ist gegen den Vorschlag der CDU. „Die Quotenlösung greift frühestens in zwölf Jahren“, teilte eine Sprecherin mit. „Mit ihr erreicht man nicht die potenziell besten Landärzte unter den Studierenden. Sie ändert nichts an den Gründen, wieso es zu wenig Ärzte auf dem Land gibt.“