Bleibt trotz des Schuldspruchs in Paris straffrei: IWF-Chefin Christine Lagarde Foto: AFP

Das Urteil, das Frankreichs Gerichtshof der Republik gegen Christine Lagarde wegen ihrer Verfehlungen als Ministerin gefällt hat, hinterlässt ein Gefühl des Unbehagens, kommentiert Axel Veiel.

Paris - Gerichtsurteile sind dazu da, Rechtsfrieden zu schaffen. Das Urteil gegen Christine Lagarde bleibt ihn schuldig. Es hinterlässt Unbehagen. Da gelangt Frankreichs Gerichtshof der Republik zu dem einleuchtenden Schluss, dass die heutige IWF-Chefin in ihrer Zeit als Pariser Ministerin in zumindest fahrlässiger Weise mit Staatsvermögen umgegangen ist. Nutznießer war ein zwielichtiger Unternehmer, dem eine sehr hohe Entschädigung zuerkannt wurde, ohne dass Lagarde es für notwendig befunden hätte, dagegen einzuschreiten. Derselbe Gerichtshof zieht dann freilich den Schluss, dass das Versäumnis so schwerwiegend dann doch wieder nicht gewesen sei, und sieht von einer Strafe ab.

Für den Widersinn gibt es Gründe. Er rührt zum einen daher, dass weniger Lagarde selbst als vielmehr ihr damaliger Chef Nicolas Sarkozy auf der Anklagebank hätte sitzen müssen. Nutznießer der von Lagarde durchgewinkten und, wie man mittlerweile weiß, ergaunerten 404-Millionen-Euro-Entschädigung war ein von Sarkozy als Wahlkampfhelfer geschätzter Unternehmer. Ohne Wissen und Billigung des damaligen Präsidenten wäre ein solch hoher Betrag niemals gezahlt worden. Aber Sarkozy genießt Immunität. So musste stellvertretend eben Lagarde den Kopf hinhalten.

Hinzu kommt die außenpolitische Dimension des Falls. Auch sie gebot, von einer Strafe abzusehen. Schon der schlichte Schuldspruch kratzt am Image des Internationalen Währungsfonds und gibt denjenigen Auftrieb, die nicht mehr einsehen wollen, dass der Vorsitz einem Europäer gebühren soll – und das seit Gründungszeiten. Lagarde wäre als Vorbestrafte wohl nicht länger zu halten gewesen.

Salomonisch ist das Urteil deshalb noch lange nicht. Der von Parlamentariern dominierte Gerichtshof hat vielmehr recht salopp Schadenbegrenzung betrieben.

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