Um die Lärm-Grenzwerte einzuhalten, soll auch in der Kiesstraße nicht mehr schneller als 30 Kilometer pro Stunde gefahren werden. Foto: Horst Rudel

Auf einigen Esslinger Straßen, unter anderem auf großen Teilen des Altstadtrings, soll künftig Tempo 30 gelten. Einige Gemeinderäte fremdeln damit jedoch noch.

Esslingen - Die Erarbeitung und die Umsetzung eines Lärmaktionsplans ist eine ausgesprochen komplexe Angelegenheit. Deshalb war das Wort „komplex“ auch eines der meist benutzten, als der Ausschuss für Technik und Umwelt des Esslinger Gemeinderats das Thema jüngst anpackte. Neu oder gar überraschend waren die Vorschläge der Verwaltung zwar nicht, auf gut einem Dutzend Straßen die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu reduzieren, um die Lärm-Grenzwerte einhalten zu können. Zu der vorgesehenen Entscheidung, das wurde rasch deutlich, sollte es aber auch nicht kommen.

Noch bevor Gerhard Gorzellik, der Leiter des Ordnungsamts, überhaupt ansetzen konnte, das Konzept erneut vorzustellen, stellte Eberhard Scharpf von den Freien Wählern mit der Bemerkung „Erste Lesung“ klar, dass er weiteren Informations- und Gesprächsbedarf sieht, die Pläne also keineswegs für entscheidungsreif hält. Beirren ließ sich Gorzellik durch den Einwand jedoch nicht, geleitet wohl auch von der Hoffnung, dass seine Erklärungen ausreichen dürften, um nach mehr als drei Jahren einen Knopf an die zweite Stufe des Lärmaktionsplans zu machen.

Wilfried Wallbrecht: Wir stehen da unter einem gewissen Druck

Oberste Prämisse hat bei der Erstellung eines solchen Konstrukts der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitlichen Schäden. Dazu gilt es, bestimmte Dezibel-Grenzwerte einzuhalten. Dies ist, wie sich bei einem wahren Messmarathon gezeigt hat, vielerorts nicht der Fall. Auf Teilen der Schorndorfer Straße, der Hirschlandstraße, der Wielandstraße, der Mettinger Straße und der Stuttgarter Straße ist es schlicht zu laut, ebenso wie im östlichen und nördlichen Bereich des Altstadtrings. Das gleiche gilt für eine Reihe weiterer Straßen in verschiedenen Stadtteilen, wo eine Verlangsamung des Verkehrs, teils nur in den Nachtstunden, ebenfalls die gewünschten Ergebnisse bringen soll.

Gerhard Gorzellik machte deutlich, dass bei der Festlegung der einzelnen Bereiche alle nur erdenklichen Belange abgewogen wurden. „So lässt sich die vorgeschriebene Minimierung nur bei Tempo 30 erreichen, bei Tempo 40 eben nicht“, betonte er. Akzeptieren müsse man darüber hinaus, dass gerade an den Steigungsstrecken bei langsamerem Fahren die Feinstaubwerte nach oben gingen. „Auch das ist eine Abwägungsfrage: Solange diese noch unter der Grenze bleiben, ich im Gegenzug beim Lärm aber die gesetzliche Reduzierung schaffe, muss ich das in Kauf nehmen“, fügte er hinzu.

Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht und Wolfgang Ratzer, der Leiter des Stadtplanungsamts verwiesen auf den fehlenden Handlungsspielraum: „Wir stehen da unter einem gewissen Druck, weil die EU den Rechtsrahmen vorgibt“, erklärte Wallbrecht und Ratzer ergänzte, „dass wir verpflichtet sind, die Planung umgehend fortzuschreiben, da man uns sonst eine Pflichtverletzung vorwerfen könnte“.

Der Lärmaktionsplan II soll am 27. Mai verabschiedet werden

Die Ausschussmitglieder von Freien Wählern (FW) und CDU sahen indes keine Eile geboten. Eberhard Scharpf (FW) sprach von einem „sehr starken Eingriff in die Esslinger Mobilität“. Seine Fraktion wolle Lärmschutz und Gesundheitsvorsorge, aber keinen Flickenteppich. „Uns wäre Tempo 40 und zwar durchgängig lieber“, betonte er. Karin Pflüger (CDU) sprach von einem „Loyalitätskonflikt“ und machte deutlich, „dass mir bei der Abwägung der Feinstaub schlimmer erscheint als der Lärm, gegen den mit Schallschutzfenstern etwas getan werden kann“.

Indes forderten Grüne, SPD und Linke, das Konzept rasch zu realisieren. Jürgen Menzel (Grüne) stellte dazu Theorie und Praxis gegenüber: „Von Tempo 50 auf Tempo 30 zu reduzieren, heißt doch, dass die Autos in der Realität nicht mehr 60, sondern 40 fahren.“ Am 27. Mai soll der Lärmaktionsplan II in der nächsten Sitzung des Ausschusses endgültig verabschiedet werden. Es dürfte spannend werden, ob sich bis dahin an den unterschiedlichen Positionen noch etwas ändert.