Die Firma Kußmaul hat statt ihren Kunden Pflegekräfte beschenkt. Foto: Gottfried Stoppel

Eine Firma bricht mit einer Tradition, um Pflegekräften der Rems-Murr-Kliniken zu danken. Auslöser war die Aktion „Nicht selbstverständlich“ von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf.

Weinstadt - Applaus für Pflegekräfte: am Beginn der Coronapandemie sollte diese Geste auch in Deutschland Anerkennung für Angehörige von Pflegeberufen zum Ausdruck bringen. Das Klatschen war gut gemeint – aber am Fachkräftemangel, den Arbeitsbedingungen, der Bezahlung und der hohen Belastung des Personals hat sich seitdem wenig geändert. Von einer Prämie vor rund einem Jahr abgesehen.

Eine Firma aus Weinstadt macht jetzt, kurz vor Weihnachten, mit einer Aktion von sich reden, die den Beschäftigten der Rems-Murr-Kliniken in Schorndorf und Winnenden gegenüber Dankbarkeit nicht nur symbolisch ausdrücken soll. Jeder der insgesamt rund 2700 Kliniken-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern hat von der Firma Kußmaul einen 25-Euro-Gutschein bekommen. Dieser lässt sich in Winnender und Schorndorfer Geschäften einlösen.

Spendenaktion für Pfleger statt Geschenke für Kunden

„Eigentlich hätten wir im vergangenen August unser 25-jähriges Firmenjubiläum feiern wollen“, sagt der Geschäftsführer Bernd Kußmaul. „Aber dann hatten meine Frau und ich die Idee, das dafür sowie für die Firmen-Weihnachtspräsente eingeplante Geld in Form von 25-Euro-Gutscheinen lieber dem Personal in den beiden Krankenhäusern zukommen zu lassen.“ Um die Spende zu vergrößern und auf den Betrag von insgesamt 70 000 Euro zu kommen, hat die Firma zudem mit einer Tradition gebrochen. Bislang bekamen Kunden und Freunde des Hauses jedes Jahr zu Weihnachten ein Überraschungspaket. Stattdessen gibt es in diesem Jahr nur eine Karte – und eben die Spende an das Pflegepersonal. „Es soll kein politisches Statement oder Kritik am Pflegesystem sein. Unser Ziel ist es, uns zu bedanken und ein Zeichen der Verbundenheit zu setzen“, erklärt Bernd Kußmaul.

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Der Auslöser für die Spendenaktion war die Aktion „Pflege ist nicht selbstverständlich“ der beiden Fernsehmoderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf. Im März hatten sie in einer siebenstündigen Sondersendung auf den harten Alltag und die Arbeitsbedingungen von Pflegekräften hingewiesen. Unter anderem konnten die Zuschauer die Schicht einer Krankenpflegerin in Echtzeit miterleben. In den sozialen Netzwerken gingen unter dem Hashtag #nichtselbstverständlich unzählige Reaktionen auf die Aktion zum Pflegenotstand ein.

Prominente loben die Aktion von Kußmaul

In einem Video, das der Kußmaul-Chef auf Youtube veröffentlicht hat, finden Chefs anderer Firmen sowie Prominente lobende Worte für die Aktion: „Klasse, dass ihr euch dieses Jahr zurücknehmt, um anderen Menschen eine umso größere Freude zu machen“, meinen etwa der „Tatort“-Schauspieler Richy Müller und der Esslinger Künstler Tim Bengel. „Starke Aktion“, lobt der Turn-Olympiasieger Fabian Hambüchen. Auch eine Mitarbeiterin der Rems-Murr-Kliniken kommt zu Wort. „Wir freuen uns sehr über die Unterstützung während der Coronapandemie“, sagt die junge Frau. Für sie und ihre Kollegen bleibt freilich zu hoffen, dass diese Anerkennung nicht die letzte ihrer Art gewesen ist. Immerhin: die neue Bundesregierung hat einen weiteren finanziellen Bonus für Pflegerinnen und Pfleger angekündigt, der aber erst 2022 kommen soll.

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Die Firma und die Klinik

Spezialist
 Die Weinstädter Bernd Kußmaul GmbH hat sich auf die Fertigung von technisch anspruchsvollen Nischenprodukten, Kleinserien und Prototypen spezialisiert. Das Technologieunternehmen mit 40 Mitarbeitern hat seine Stärken unter anderem im Sondermaschinenbau und in der Automobilbranche. Die Firma hat beispielsweise die leuchtenden Medaillen der Turnweltmeisterschaft in Stuttgart hergestellt; außerdem fertigt sie zum Beispiel Interieurelemente für Luxuslimousinen und Premium-Golfcaddys.

Kunst
Bekanntheit erlangte Kußmaul auch durch die Zusammenarbeit mit dem Künstler Tim Bengel, aus der ein Avocado-Bagel aus zehn Kilogramm purem Gold hervorging. Das Kunstwerk aus 27 Einzelteilen hat allein einen Materialwert von 500 000 Euro.

Rems-Murr-Kliniken
Die beiden Krankenhäuser in Schorndorf und Winnenden sind in 21 Fachkliniken unterteilt. In mehr als 900 Betten werden pro Jahr ungefähr 51 000 Patienten versorgt. In den Rems-Murr-Kliniken arbeiten rund 220 Ärzte und mehr als 1400 Pflegekräfte und -helfer unterschiedlicher Fachrichtungen.