Im Jemen regieren Hunger und Elend. Vor allem die Kinder leiden darunter. Hier erhält ein Junge Essen von einer internationalen Hilfsorganisation. Foto: dpa

Washington macht jetzt doch Druck auf Saudi-Arabien und verlangt baldige Waffenstillstandsverhandlungen. Im Jemen herrschen Hunger und Elend.

Kairo - Vier Wochen nach dem saudischen Auftragsmord an Regierungskritiker Jamal Khashoggi gehen die USA nun erstmals öffentlich auf Distanz zu dem von Kronprinz Mohammed bin Salman im Jahr 2015 losgetretenen Krieg im Jemen. In einem koordinierten Vorgehen forderten US-Außenminister Mike Pompeo und US-Verteidigungsminister Jim Mattis am Mittwoch die Kriegsgegner Saudi-Arabien und Houthi-Rebellen auf, das mehr als dreijährige Blutvergießen zu beenden.

Man habe den Krieg „da unten lange genug angeschaut“, erklärte Mattis und verlangte einen Waffenstillstand. „In 30 Tagen wollen wir alle an einem Tisch versammelt sehen“, sagte er bei einer Veranstaltung des US Friedensinstituts in Washington. „Basierend auf einer Waffenruhe, basierend auf einem Rückzug von den Grenzen und basierend auf einem Verzicht der Bombardierung.“ Nach dem Willen Washingtons sollen die Kriegsgegner noch im November in Schweden zusammenkommen und unter Leitung des UN-Jemenbeauftragten Martin Griffiths eine Lösung suchen. Pompeo erklärte, alle Raketen- und Drohnenangriffe der Houthis auf das Territorium von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten müssten eingestellt werden, genauso wie alle Luftangriffe der Koalition auf sämtliche besiedelten jemenitischen Gebiete.

Zuvor hatte bereits die französische Außenministerin Florence Parly ein Ende des Krieges verlangt, den die Vereinten Nationen als das „größte humanitäre Desaster der Gegenwart“ bezeichnen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wurden bisher mindestens 62 000 Menschen getötet oder verletzt; die wirkliche Zahl dürfte wesentlich höher liegen.

Es droht ein Sturmangriff auf die Hafenstadt Hodeida

Ungeachtet dessen versuchen die von Riad und Abu Dhabi befehligten Truppen weiterhin, den Krieg mit einem Sturmangriff auf die von den Houthis kontrollierte Hafenstadt Hodeida am Roten Meer zu entscheiden. „Der Beginn der Offensive ist nur noch eine Frage von Tagen“, erklärte ein Sprecher der international anerkannten jemenitischen Regierung. Mehr als 10 000 Soldaten seien in der Umgebung von Hodeida zusammengezogen worden, über dessen Hafen 70 bis 80 Prozent der Nahrungsmittel und Hilfsgüter ins Land kommen. Sollten Anlegebecken und Entladekräne bei dem Feldzug zerstört werden, käme die Versorgung der Bevölkerung vollends zum Erliegen. Erst letzte Woche hatte UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock gewarnt, bis Ende 2018 könnten 14 Millionen Jemeniten akut vom Hungertod bedroht sein – die Hälfte der Bevölkerung.

Ohne die militärische und logistische Unterstützung der USA, Großbritanniens und Frankreichs könnte Saudi-Arabien den Krieg im Jemen nicht führen. 90 Prozent des saudischen Waffenarsenals stammt von diesen drei Nationen, deren Experten im Einsatzzentrum in Riad auch bei der Auswahl der Bombenziele helfen. Nach Angaben der Website Military.com waren US-Tankflugzeuge mindestens 2900 Mal über dem Jemen im Einsatz, um saudische Kampfjets bei mehr als 12 000 Luftmanövern mit Kerosin zu versorgen.

Der Staat Jemen existiere eigentlich nicht mehr, heißt es bei den UN

Mit den beiden Erklärungen von Mattis und Pompeo läuten die USA das Ende des Jemen-Abenteuers von Mohammed bin Salman ein – nach dem Mordfall Khashoggi der nächste Rückschlag für die Machtambitionen des saudischen Kronprinzen. Der 33-Jährige gilt als der Architekt des Krieges, um den südlichen Nachbarn zum Schauplatz in der Konfrontation Saudi-Arabiens mit dem regionalen Erzfeind Iran zu machen.

Vor Ort im Jemen hat der Krieg ein unbeschreibliches Debakel angerichtet, wie in dem jüngsten UN-Bericht nachzulesen ist. „Der Staat Jemen hat praktisch aufgehört zu existieren“, heißt es in dem Text. „Er ist zerfallen in zahlreiche verfeindete Territorien, die sich nur sehr schwer wieder zu einer gemeinsamen Nation werden zusammenflicken lassen.“ 80 Prozent der Bevölkerung lebt mittlerweile unterhalb der Armutsgrenze, vor dem Krieg waren es 38 Prozent. Die Hälfte der Krankenhäuser ist zerstört, die übrigen sind total überlastet. Im Oktober 2016 brach eine Cholera-Epidemie mit bisher 1,2 Millionen Erkrankten aus, die rund 2500 Todesopfer forderte. Von den bisher 18 000 Angriffen der saudischen Luftwaffe traf lediglich ein Drittel militärische Ziele. Der Großteil der Opfer dagegen waren Zivilisten.