Die Hirnforschung bewerte exekutive Himfunktionen höher als den Intelligenzquotienten, sagt Susanne Exner. Foto: Gottfried Stoppel

„Spiel macht schlau“ – diese These vertritt Susanne Exner. Bei einem Kurs in Waiblingen zeigt die Expertin Kindern, worauf es dabei ankommt.

Waiblingen - Halma spielen oder Barfuß gehen über Stock und Stein: beides macht Spaß – und schlau. Denn solche Impulse unterstützen die Entwicklung des Gehirns. Susanne Exner bietet bei der Familienbildungsstätte Waiblingen einen Kurs an, bei dem Kinder im Grundschulalter mit Spaß wichtige Kompetenzen für Schule und Alltag erlernen.

Frau Exner, sind Sie gerne in die Schule gegangen?
Ich habe die Schulzeit relativ leicht durchlaufen und überwiegend schöne Erinnerungen daran. Wobei ich kein Überflieger war, ich musste schon lernen, um entsprechende Noten zu bekommen.
Welche Rolle spielt der Intelligenzquotient für eine erfolgreiche Schullaufbahn?
Wenn man den Intelligenzquotienten mit einem Schiffsmotor vergleicht, der volle Leistung erbringen kann, dann sind die exekutiven Hirnfunktionen quasi der Steuermann. Das heißt: wenn ich einen hohen IQ habe, meine ich, ich kann alles erreichen. Aber ich setze das Schiff vielleicht auf eine Sandbank. Insofern muss man den IQ in Relation zu den exekutiven Funktionen sehen, er allein sagt nicht so viel aus. Die Hirnforschung bewertet die exekutiven Funktionen sogar höher als den IQ.
Was versteht man unter exekutiven Hirnfunktionen?
Das Arbeitsgedächtnis, die kognitive Flexibilität und die Inhibition.
Welche Aufgabe hat das Arbeitsgedächtnis?
Es speichert die Informationen, die man braucht, um eine Aufgabe zu lösen. Kinder mit einem gut ausgebildeten Arbeitsgedächtnis sind aufmerksam, können alle Anweisungen im Gedächtnis behalten, Aufgaben vollständig bearbeiten und sie machen wenig Flüchtigkeitsfehler.
Wobei hilft die kognitive Flexibilität?
Dabei, Erlerntes miteinander zu verknüpfen und auf andere Sachverhalte zu übertragen.
Und was versteht man unter Inhibition?
Eine Art inneres Stoppschild, eine Impulskontrolle: Wenn mich Emotionen überkommen, dann kann ich ihnen einfach nachgeben. Oder ich schaffe es, meinen Blick auf das Wesentliche zu lenken. Das können selbst nicht alle Erwachsenen, aber man kann das üben.
Darum geht es in Ihrem Kurs „Spiel macht schlau“?
Ja. Der Kurs soll Kindern und Familien Übungen an die Hand geben, um die exekutiven Fähigkeiten des Gehirns zu fördern. Das Angebot soll aber bitte nicht so verstanden werden, dass Eltern sagen: Da schicke ich mein Kind acht Wochen lang hin und dann funktioniert es wunderbar. Wichtig und wünschenswert wäre, dass die Übungen in der Familie vertieft werden. Es geht nicht um Drill, sondern darum, Kernkompetenzen im Alltag zu integrieren, die Kindern zum Teil fehlen.
Ein Beispiel?
Wenn ich in Schulklassen bin, fällt mir auf, dass viele Kinder sich sehr schwer tun, einfach ruhig sitzen zu bleiben. Das ist eine Kompetenz, die sie entwickeln müssen.
Packen Eltern ihre Kinder generell zu sehr in Watte?
Manche schon. Ich finde es zum Beispiel furchtbar, wenn Mamas ihren Kindern den Schulranzen nicht nur bis zur Schule tragen, sondern bis ins Klassenzimmer hinein. Es geht da immer um die Frage: Was traue ich meinem Kind zu? Auch Hausaufgaben können Erstklässler allein bewältigen. Wenn Eltern sich daneben setzen und jeden Schritt vorgeben, tun sie ihrem Kind keinen Gefallen. Ich glaube, dass wir Kinder so prägen. Eigenes Planen und eigene Verantwortung – das dürfen Kinder heute nicht mehr so erleben wie frühere Generationen. Man muss sich also nicht wundern, wenn man sie in gewisser Weise inkompetent macht. Die Zahl der Schul- und Ausbildungsabbrecher ist heute zum Beispiel extrem hoch. Da sehe ich eine Verbindung.
Dabei wollen Eltern das Beste für ihr Kind. Manche Fachleute sprechen gar von einem Förderwahn. Wie sehen Sie das?
Es ist ein Spagat. Ich finde es gut, wenn Kinder eine Sportart ausüben und ein Musikinstrument spielen lernen. Aber man kann sich schon fragen, ob ein Kind im Grundschulalter Chinesisch oder Japanisch lernen muss. Meinen Kurs sehe ich weniger als Förderangebot, sondern als Chance, in Berührung zu kommen mit dem, was früher normal war in einer Familie.
Was raten Sie Eltern?
Einfach mal rausgehen mit den Kindern, über Stock und Stein. Basale Erfahrungen kosten nichts – außer Zeit der Eltern. Oder gemeinsam Halma oder Mühle spielen – das fördert die Feinmotorik und das strategische Denken.
So fördert man die exekutiven Hirnfunktionen?
Wir können nicht zaubern, aber man kann die Hirnentwicklung durch Impulse unterstützen. Dazu eignen sich auch basale Dinge, die man erlebt und wiederholt – zum Beispiel Barfuß gehen. Das sind Erkenntnisse der Hirnforschung, die nicht neu sind. Bewegung ist im Übrigen ganz wesentlich, weil sie den Lernprozess unterstützt. Wenn ich mich nicht bewege und nur zehn Stunden am Schreibtisch sitze, ist der Output am Ende sehr gering.
Wie viel Zeit braucht ein Mensch, um seine exekutiven Hirnfunktionen zu entwickeln?
Im Gegensatz zu anderen kognitiven Funktionen wie etwa der Wahrnehmung vollzieht sich die Entwicklung des Frontalhirns, in dem die exekutiven Funktionen schwerpunktmäßig repräsentiert werden, langsamer und individuell bis etwa zum Alter von Mitte 20. So wie die Persönlichkeit reift auch der präfrontale Kortex unterschiedlich schnell. Diversität ist also ganz normal.
Sie sagen Spiel macht schlau – gilt das nur für Kinder?
Der Schwerpunkt liegt tatsächlich auf Kindern, aber ich biete das Programm auch für Erwachsene an, zum Beispiel für diejenigen, die ein Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) haben. Denn die Erkenntnisse aus der Hirnforschung, die dort eine Rolle spielen, treffen auch auf Erwachsene zu. Die Methoden sind also vom Prinzip her gleich, allerdings kommen unterschiedliche, altersgemäße Materialien und Inhalte zum Einsatz. Und Erwachsene müssen meist länger üben, weil ihr Hirn nicht mehr so flexibel ist wie das von Kindern.

Biografie
Susanne Exner lebt in Weinstadt, ist verheiratet und Mutter von vier Kindern. Nach einer kaufmännischen Ausbildung hat sie unter anderem Qualifikationen in den Bereichen Mediation, Entspannungsmethoden, Erlebnispädagogik, Stressmanagement und Coaching erworben.

Kurs
„Spiel macht schlau“ ist das Motto des achtwöchigen Kurses, den Susanne Exner bei der Familienbildungsstätte Waiblingen anbietet. Dabei üben Kinder im Grundschulalter die Fähigkeit zur Selbstregulation, die großen Einfluss auf das Lernen hat, auf unterhaltsame Weise: mit Spielen, Konzentrations-, Wahrnehmungs- und Entspannungsübungen. Der Kurs beginnt am 3. Mai und findet von 16.30 bis 18.30 Uhr statt. Für Eltern gibt es am 5. Mai von 19.30 bis 21 Uhr einen Elternabend.