Niko Kappel und „sein“ Kunstwerk Der Flößer von Hansjörg Palm, das auf dem Parkplatz bei der Laufenmühle steht. Foto: Frank Eppler

Niko Kappel aus Welzheim hat bei den Paralympics in Rio 2016 die Goldmedaille gewonnen. Er gibt zu, kein großer Kunstkenner zu sein und sagt: „Der Flößer“ sei ein toller Startpunkt für Wanderungen im Schwäbischen Wald.

Welzheim - Dieser Frühlingstag verspricht Hitze satt. Doch im Wald zwischen Rudersberg und Welzheim dürfte es auch am Nachmittag kühl bleiben. Der kleine Mann mit den dicken Oberarmen, den seine Kumpels Bonsai rufen, hat das Kunstwerk „Der Flößer“ ausgewählt, das eben hier im Wald steht, am Rande des Parkplatzes gleich bei dem imposanten Eisenbahnviadukt der Laufenmühle. Niko Kappel aus Welzheim, 22 Jahre alt, hat bei den Paralympischen Sommerspielen in Rio 2016 überraschend die Goldmedaille im Kugelstoßen geholt. Kappel ist kleinwüchsig. Er misst ziemlich genau 1,40 Meter, und er hat die Kugel 13,57 Meter weit gestoßen, so weit wie kein Konkurrent. Das Foto vom strahlenden Sieger war im Fernsehen und in vielen Zeitungen zu sehen.

Kappel steht neben dem hölzernen Flößer und bekennt sofort: Er sei kein großer Kunstkenner. Ein Künstler im klassischen Sinne sei er schon gleich gar nicht, vielleicht eine Art Lebenskünstler. Kappel ist ein Hochleistungssportler, der die Kunst des Kugelstoßens in Vollendung beherrscht. Vom Kugelstoßen könnte der Mann, der für den VfL Sindelfingen an den Start geht, aber nicht leben. Niko Kappel arbeitet als Bankkaufmann in seiner Heimatstadt Welzheim, wo er für die Christdemokraten im Gemeinderat sitzt. Und als überzeugter Lokalpatriot kam für ihn wohl nur ein Kunstwerk in Frage, das auf Welzheimer Markung steht. Kappel posiert für den Fotografen neben dem Flößer, den Hansjörg Palm geschaffen hat, ein Künstler aus Freiburg. Herr Bonsai guckt sich den Flößer an und sagt ziemlich spontan: „Das könnte auch ein Stabhochspringer sein.“ Er grinst verschmitzt, hält sich für einen Moment eine Hand vor den Mund und erklärt sinngemäß, er wolle dem Künstler nicht zu nahe treten. Keine Frage: der Flößer ist ein Flößer und kein Stabhochspringer.

Kunstwerk erinnert an Lokalhistorie

Das Kunstwerk steht in der Nähe des Ebnisees. Es soll an die Flößerei anno dazumal erinnern. Erst der Bau des Staudamms für den Ebnisee im 18.Jahrhundert hatte das Flößen ermöglicht, den Transport geschlagenen Holzes aus dem Welzheimer Wald über die Wieslauf und weiter über die Rems und den Neckar in die Residenzstädte Stuttgart und Ludwigsburg. Die Holzwirtschaft der Gegend rund um den heutigen See war vorher kaum konkurrenzfähig gewesen. Die Wieslauf hatte vor dem Bau des Ebnisees fast immer zu wenig Wasser.

Im Stausee wurde das Wasser der Schneeschmelze und des Frühjahrsregens gesammelt. Nun konnte das im Winter geschlagene und mit Schlitten zum See transportierte Holz ins Tal geschwemmt werden. Im Sommer lag der See trocken und wurde als Weide genutzt. An diese Lokalhistorie erinnert das Kunstwerk.

Die Eröffnung der Remstal- und später der Wieslauftalbahn machte die Flößerei überflüssig, sie wurde um 1860 eingestellt. Für den Hochwasserschutz und zur Nutzung der Wasserkraft wurde der Ebnisee später wieder aufgestaut. Heute ist der See ein Besuchermagnet.

Kappel ist jetzt ganz Kommunalpolitiker

Kappel ist jetzt ganz Kommunalpolitiker, sagt dass der Flößer ein prima Ausgangspunkt sei, um die Gegend zu erkunden. Er habe hier als Kind oft gespielt. Vom Kunstwerk aus sind es nur ein paar hundert Meter bis zur idyllisch gelegenen Klingenmühle mit Café und Biergarten. Zur Sternwarte sind es auch nur ein paar Kilometer.

Schräg gegenüber des Parkplatzes ist die Laufenmühle mit dem Erfahrungsfeld der Sinne, wo die Besucher riechen, hören, tasten, balancieren, experimentieren und staunen können. Das Erfahrungsfeld der Sinne, sagt Niko Kappel, „ist für jeden interessant“. Der Künstler Hansjörg Palm hat mehrere Kunstwerke geschaffen, die auf dem Gelände der Laufenmühle stehen.

Weltrekord geknackt

Sport
Der kleinwüchsige Kugelstoßer Niko Kappel aus Welzheim hat vor ein paar Tagen einen neuen Weltrekord aufgestellt: 13,78 Meter. Als Gewinner der Goldmedaille bei den Paralympischen Spielen 2016 reist der 22-jährige Bankkaufmann als Mitfavorit zu dem Weltmeisterschaften, die im Juli in London ausgetragen werden. Er sei gut in Form, sagt Kappel, der sechsmal wöchentlich trainiert – oft zweimal am Tag. Die Sonntage, sagt er, seien meistens frei – wenn kein Wettkampf ansteht.

Privat
Niko Kappel hat in Welzheim eine Regel-Realschule besucht. Anschließend hat er bei der Volksbank Welzheim Bankkaufmann gelernt, wo er eine Teilzeitstelle hat. Mit einem Fulltime-Job könnte er unmöglich genug trainieren. Kappel wohnt mit seiner Freundin – sie ist übrigens 1,60 Meter groß – in Welzheim

Künstler
Hansjörg Palm ist 1959 in Vaihingen an der Enz geboren worden. Der freischaffender Bildhauer lebt in Freiburg, er hat sich auf sogenannte Erfahrungsfelder der Sinne spezialisiert. Seit 2008 ist Palm Gastdozent an der Edith-Maryon-Kunstschule Freiburg.