Klaus-Gerrit Friese als Gast der „StN“-Reihe „Über Kunst“ Foto: Steffen Schmid

„Über den Umgang mit Menschen, wenn Zuneigung im Spiel ist“ – auf ein Werk von Anna Oppermann verweist die Schau der Sammlung Klein im Kunstmuseum Stuttgart. Gemeinsam mit Kunstmuseumsdirektorin Ulrike Groos und Sarah Donata Schneider hat der Berliner Galerist Klaus-Gerrit Friese die Ausstellung erarbeitet.

Stuttgart - An diesem Freitag um 19 Uhr wird im Kunstmuseum Stuttgart eine große Sonderausstellung mit Werken der Sammlung Alison und Peter W. Klein eröffnet. Der frühere Stuttgarter Galerist Klaus-Gerrit Friese begleitet das Sammlerpaar seit langem und hat nun gemeinsam mit Kunstmuseumsdirektorin Ulrike Groos und Kunstmuseums-Mitarbeiterin Sarah Donata Schieder das Konzept der Präsentation im Kubus erarbeitet.

Herr Friese – die Sammlung Alison und Peter W. Klein weist eine immens hohe Zahl an Künstlerinnen und Künstlern auf. Ist Vielfalt hier die eigentliche Konzentration?
Der Reichtum der Kunst ist die größte Faszination des Ehepaars, nennen Sie es Vielfalt, das ja auch ein schönes Wort ist. Das Interessante an der Sammlung ist, dass sie nicht mit einem Konzept begann – es gab also nicht das Vorhaben, einer bestimmten Kunstrichtung sammelnd zu frönen -, vielmehr entstand das Konzept und die Konzentration beim Sammeln selbst, was diese Ausstellung durch die Präsentation von 29 ausgewählten künstlerischen Positionen zeigt. Und es ist unglaublich interessant zu beobachten, wie bei aller Unterschiedlichkeit der Künstler ein fast durchgehendes Interesse am Phänomen der Struktur zu beobachten ist.
Der Galerist als Kurator – verändert dies Ihren Blick?
In der Zusammmenarbeit mit Ulrike Groos, der Direktorin des Kunstmuseums, verantworten wir gemeinsam die Ausstellung. Das hat meinen Blick auf vielfältigste Weise verändert; vor allem aber, weil es ja für einen Galeristen nicht selbstverständlich ist, sich in einem über mehr als ein Jahr dauernden Austausch über die Kunst und die Abwägung dessen zu befinden, was wir zeigen wollten. Das war so intensiv wie es auch lehrreich war: ich kannte zum Beispiel schlicht und ergreifend natürlich auch nicht alle Künstler der Sammlung Klein.
Die Kleins haben sich ihr eigenes Kunstforum geschaffen. Nun der Schritt, sich in einem öffentlichen Museum zu „stellen“. Wie wichtig ist das für Sammlerinnen und Sammler grundsätzlich?
Bei den Kleins ist es einer Systematik ihrer Sammlung geschuldet, die die Wurzel Nussdorf kennt. Da ist das Unternehmen zu Haus und dort ist es groß geworden, da war es logisch, als die Sammlung ein Eigenleben in Quantität und Qualität gewann, ihr einen Ort zu geben. Und dem Sammlerpaar ist dieser Bezug immer sehr wichtig gewesen: in der kleinen Stadt zeitgenössische Kunst zu zeigen, ohne Barriere. Einer der ihren beschäftigt sich damit, und wer je bei einer Ausstellungseröffnung in Nussdorf war weiß, wie intensiv in jeder Hinsicht Kunst dort wahrgenommen wird.
Es wäre ja auch eine ganz andere Schau möglich gewesen – die Sammlung weist etwa einen großen Werkblock zu Sean Scully auf. Wie kam es jetzt zu dieser Ausstellung?
Den Werkblock zu Scully zeigen wir fast vollständig; und die anderen Positionen haben wir immer wieder abwägend für ein Gesamtbild zusammengestellt. Es gibt in der Sammlung, wenn man das einmal abstrakt sagen will, Schwerpunkte im Bereich der Malerei, der Zeichnung und der Fotografie. Dazu kommen Installationen und Videoarbeiten. Dem wollten wir in etwa gerecht werden, das spiegelt die Ausstellung wieder, aber natürlich in einer durch zwei Kuratoren gemachten, persönlich gefärbten Auswahl aus dem großen Ganzen.
Der Ausstellungstitel folgt einer Arbeit von Anna Oppermann. Deren Wiederentdeckung ist vielfältig mit Stuttgart verbunden – über Projekte der vormaligen Galerie Annette Gmeiner oder die umfassende Wiederherstellung einiger Ensembles im Württembergischen Kunstverein. Verbindet sich in diesem Ankauf der Kleins vielleicht das spezifische Interesse am kulturell Übergreifenden, das sich ja wiederum im Titel ausdrückt?
Ja, das ist sehr schön, dass es diesen Stuttgart- und Berlin-Bezug durch Anna Oppermann gibt. Kosuth schreibt mit Hegel an den Stuttgarter Hauptbahnhof: dass die Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist. Das ist ein Satz zum Niederknien, in dem alles enthalten ist, was sich mit der Kunst und unserem Leben verbindet. Die Kleins sind Sammler mit einem großen weiten Herzen. Sie beziehen alles mit ein: das Hohe und das scheinbar Niedrige, sie haben keine Scheu und sie haben Achtung vor der Zuneigung, die mit im Spiel sein sollte, wenn wir uns mit der Kultur beschäftigen. Dann ergreift und erreicht sie uns auch.
Wie ist die Ausstellung im Kubus organisiert?
Den Auftakt bilden Anselm Kiefer und Anna Oppermann, das ist ein großartiger, spannungsreicher Raum, der zu Scully führt und der Zeichnung. In der Summe haben Sie in der ersten Etage also einen Blick aufs Ganze der Sammlung, der in den darauf aufbauenden Etagen sich zunächst durch Fotografie und dann durch das Geschoss der Maler erweitert. Und in jeder Etage haben Sie Querbezüge und Verweise auf die von uns herausgearbeitete Struktur der Sammlung – das ist ein Rundgang, in dem die einmal gesehenen Bilder durch die neuen Bilder wieder auftauchen. Und so einen sehr sinnlichen Eindruck der Komplexität der von Kleins gesammelten Kunst erfahrbar machen.
Zuletzt: Was ist Ihre Lieblingsarbeit?
Meine Galerie kennt wenig Steckdosen, also nehme ich die Arbeit, die eine braucht: Ulrike Rosenbachs Videoinstallation „Das Bild der Frau in der Nachkriegszeit“. Dass Ulrike Rosenbach eine Pionierin ist, ist unumstritten. Und in dieser Arbeit laufen so viele Fäden der Kleinschen Sammlungslust zusammen – das bewegt mich jedes Mal, wenn ich davor stehe und nicht aufhören kann, hinzuschauen.