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Daniel Spanke, Kurator am Kunstmuseum Stuttgart, über die neu entdeckten Dix-Aquarelle.

Stuttgart - Die in Bayern entdeckten Otto-Dix-Aquarelle sähe Daniel Spanke gerne in der Sammlung des Stuttgarter Kunstmuseums. Der Kurator befürchtet allerdings, dass sich das Haus diese nicht leisten kann. Und er gibt Entwarnung: "Alle vier Blätter stellen unser Bild von Otto Dix nicht auf den Kopf."

Herr Spanke, der Galerist Herbert Remmert hat vier verschollene Aquarelle des Malers Otto Dix gefunden. Eines davon sei noch nie ausgestellt worden, sagt der Finder. Die anderen Bilder galten seit rund 90 Jahren als verschwunden. Wie reagiert man in Stuttgart auf so eine Meldung? Ist das eine Sensation?
Es ist erfreulich, wenn Blätter eines so wichtigen Künstlers wie Otto Dix wieder sichtbar werden. Sie waren der Öffentlichkeit und der Forschung lange nicht zugänglich. Das Werkverzeichnis der Aquarelle und Gouachen, das Suse Pfäffle 1991 herausgebracht hat, hätte um Abbildungen und Eintrag ergänzt werden können.

Im selben Nachlass war bereits 2010 eine Vorstudie zu "Wintermärchen" von George Grosz entdeckt worden. Glauben Sie, dass es noch viele verschollene oder bisher unbekannte Arbeiten Dix' in Nachlässen wie diesem zu finden gibt?
Das ist möglich. Einige private Sammler haben, auch aus Sicherheitsgründen, kein Interesse daran, ihre Schätze in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.

Die Werke sollen aus der Düsseldorfer Zeit Otto Dix' stammen. Wie wichtig ist diese Schaffensperiode für Dix' Gesamtwerk?
Der junge Dix geht, von Dresden kommend, 1922 nach Düsseldorf, um an der Akademie zu studieren. 1925 zieht er dann nach Berlin, 1927 wieder zurück nach Dresden, wo er Professor wird. Düsseldorf war damals ein sehr quirliges, anregendes Kunstzentrum, und Dix gehörte zum Zirkel um die berühmte Mutter Ey, die er auch porträtierte. Er findet in Düsseldorf zu seinem eigenen Stil, festigt seinen künstlerischen Standpunkt. So sagt er in dieser Zeit von sich selbst: "Entweder ich werde berühmt - oder berüchtigt." Er ist beides geworden.

Zu den jetzt entdeckten Werken gehören die Aquarelle "Nächtens" und "Soubrette" sowie eine Vorarbeit zu Dix' Porträt des Kunsthändlers Alfred Flechtheim und das unbekannte großformatige Aquarell "Strich III", das eine Straßenszene mit Prostituierten darstellt. Welche dieser Arbeiten macht Sie persönlich am neugierigsten?
Die Galerie Remmert und Barth zeigt die Werke demnächst in ihren Räumen und hat dazu bereits einen Katalog mit zahlreichen Abbildungen herausgegeben, darunter auch die vier im Nachlass entdeckten Aquarelle. Dix zeigt die zwielichtigen Gestalten, die ihm in Düsseldorf begegnet sind. Später wird er diese meisterlich in seinem "Großstadt"-Triptychon, einem der Höhepunkte der Stuttgarter Sammlung, verewigen. Und eine Vorstudie zu einem Porträt ist immer interessant.

Wie wichtig sind solche Entdeckungen für die Otto-Dix-Forschung? Ist damit zu rechnen, dass solche Funde zur Folge haben, dass Positionen neu überdacht, womöglich sogar revidiert werden müssen?
Alle vier Blätter stellen unser Bild von Otto Dix nicht auf den Kopf. Sie bestätigen es eher und bereichern das zum Teil aus großartigen Papierarbeiten bestehende Werk des Künstlers.

In Stuttgart gibt es die weltweit bedeutendste Sammlung mit Otto-Dix-Werken. Würden die Fundstücke gut in die Sammlung passen?
Es sind durchaus wirklich schöne Arbeiten. Eine "Otto Dix"-Sammlung, wie die des Kunstmuseums, bemüht sich immer um Erweiterung der Bestände. Und dabei sind wir ja auch nicht ohne Erfolg.

Wäre es in Ihrem Interesse, sich möglichst rasch um den Ankauf einer dieser Arbeiten zu bemühen?
Gerade für die Aquarelle verzeichnet der Kunstmarkt in den letzten Jahren einen enormen Preisanstieg. Diese Blätter sind oft prachtvoll, auch besonders schmückend und nicht zuletzt deshalb bei Sammlern besonders beliebt. Ich befürchte, unser Budget würden sie überschreiten.