Die schrillen Farben der Duschgels machen jeder Malerpalette Konkurrenz: „Douches“ (2013) von Delphine Reist Foto: Delphine Reist/Foto Livio Baumgartner

Die Kunsthalle Baden-Baden widmet sich mit der Große Landesschau „Körper. Blicke. Macht.“ der Kulturgeschichte des Bades. Wasser, Wanne und Duschgel können erstaunlich viel über eine Gesellschaft verraten.

Baden-Baden - Eine Frage drängt sich auf: Müssen Männer schwul sein, damit sie sich waschen? Kann es sein, dass die meisten Herren der Schöpfung einen großen Bogen ums Badezimmer machen und sich freiwillig in keine Wanne legen? Verbrieft ist zumindest, dass im 15. Jahrhundert beide Geschlechter in den Waschzuber stiegen – Albrecht Dürer hat sie dabei beobachtet und seine Körperstudien der Nachwelt hinterlassen. Danach fehlen Beweise, die Künstler späterer Zeiten haben sich nicht mehr für Männer im Bad interessiert, während es zahllose Gemälde und Zeichnungen von Frauen gibt, die im wohligen Nass plätschern, sich trocknen, hegen, pflegen oder genüsslich (und natürlich splitternackt) auf dem Boden aalen, während die – schwarze – Dienerin ihnen die Fußnägel macht.

Die Kunsthalle Baden-Baden hat sich für ihre neue Ausstellung die Kulturgeschichte des Bades vorgenommen, aber eigentlich erzählt „Körper. Blicke. Macht.“ vor allem vom männlichen Blick, der seit Jahrhunderten durch die Kunst geistert, und vom Voyeurismus, der Generationen von Künstlern ein sehr gutes Auskommen bescherte. Die einen gaben vor, biblische Szenen zu erzählen, die anderen holten Mythologisches aus der Mottenkiste – und letztlich blieb es doch immer bei der Fleischbeschau.

Die Kunsthalle wird derzeit kommissarisch geleitet

Der Umgang mit Wasser, Seife und dem eigenen Leib ist keineswegs nur privat, sondern verrät viel über eine Gesellschaft. Das zumindest zeigt auf interessante Weise die Baden-Badener Ausstellung, die Kulturgeschichte und Kunstgeschichte verquickt. Eingefädelt wurde die Große Sonderausstellung des Landes noch von Johan Holten, der längst an die Kunsthalle Mannheim weitergezogen ist, während das Baden-Badener Ausstellungshaus nun seit Monaten von den Kuratoren kommissarisch geleitet wird. Man habe inzwischen einen oder eine Kandidatin gefunden, lässt das zuständige Ministerium wissen, sei aber noch in Verhandlungen.

Die Geschichte des Bades wird vor allem mit Leihgaben des Mucems Marseille erzählt – und man sieht, dass das deutsch-französische Kuratorenteam sichtlich bemüht war, die Männer nicht ganz als Schmutzfinken dastehen zu lassen, sondern wenigstens einige Beispiele aufzutreiben, die auch sie im Bade zeigen. David Hockney etwa malte 1970 „Peter in bath“, Patrick Angushat 1984 Männer unter der Dusche gemalt. Sie erklären damit sich waschende Männer für bildwürdig – aber auch hier regiert der männliche, homoerotische Blick.

Mit versteckter Kamera ins Männerbad geschlichen

Katarzyna Kozyra wollte es genauer wissen, wie es um die Reinlichkeit der Männer steht. Deshalb hat sich die polnische Videokünstlerin in den neunziger Jahren ein männliches Geschlechtsteil, dicke Augenbrauen und reichlich Brusthaar angeklebt und mit versteckter Kamera ins berühmte Géllert-Bad in Budapest geschlichen. Dort wurde im Männerbad nicht nur geduscht, gebadet und getrocknet, sondern auch auffällig posiert. Auch vor dem Dampfbad, zeigt die Videoinstallation, macht der männliche Konkurrenzkampf nicht Halt.

Die Ausstellung erinnert an die Caracalla-Thermen in Rom, zeigt einen hübschen Automaten aus den Zwanzigerjahren, aus dem man Seide, Handtuch und Toilettenpapier ziehen konnte. Es wird an Seifensieder, aber auch an die Fußwaschungsaktion von Joseph Beuys erinnert. Interessant wird die Ausstellung aber vor allem dort, wo die Künstlerinnen und Künstler mit Wasser und Seife gesellschaftliche Phänomene aufzeigen: So hat Delphine Reist auf eine Mauer zahllose Duschgels gereiht, die auf der weißen Wand Farbspuren hinterlassen haben. Man kann sich schon fragen, was es über das Körpergefühl einer Gesellschaft aussagt, die die leiblichen Ausdünstungen mit neongrüner, tiefschwarzer oder pinkfarbener Schmiere bekämpft. Daneben muten die hübschen Flacons aus dem 18. Jahrhundert sympathisch harmlos an – oder auch der zierliche „Table de Toilette“, eine Art Schreibtisch, an dem man nicht den Geist, sondern der Körper kultivierte.

Der Mord in der Badewanne ist ein Topos

Während das Bad heute eher ein Ort zu sein schein, an dem pragmatisch und effizient die Natur in Schach gehalten wird, standen in früheren Zeiten Privat- und Selbstvergessenheit im Vordergrund – zumindest in der Bildenden Kunst, weil das die Lust des Voyeurs noch weiter steigerte. Offensichtlich kann das harmlose Wannenbad aber auch Aggressionen schüren – woran das Gemälde „Der Mord des Marat“ (1793/94) aus der Werkstatt von Jacques Louis David erinnert. Der Mord in der Wanne ist zu einem Topos geworden.

Auch das Baden-Badener Stadtmuseum und das LA 8 widmen sich mit eigenen Ausstellungen dem Bade-Thema. Das Friedrichsbad hat eine stillgelegte Abteilung für die Kunst geöffnet – und zwischen marmornen Tauchbädern und metallenen Fußbecken macht Bianca Kennedy in ihrer Videoinstallation bewusst, dass der Film ohne die Badewanne sehr arm wäre. Sie hat zahllose Szenen zusammengeschnitten, in denen im Schaumbad geraucht und gesoffen, gelesen, geliebt und manchmal auch das gesamte Bad unter Wasser gesetzt wird.

Bis 21. Juni, geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 bis 18 Uhr